Wie sagt der Kleine Prinz:
L´essentiel est invisible pour les yeux.
Ich kann nicht besonders gut französisch –wollte mit 10 Astronaut werden, und da brauchte man damals noch Latein, heute brauchst du 20 Millionen – aber das heißt wohl auf deutsch: Das Wesentliche bleibt den Augen verborgen. Fand ich einen schönen Anfang für dieses update, und ich danke dir dafür, falls du es liest.
Ja, was nehmen wir eigentlich wahr von der Welt? Was hörensehenriechenschmeckenfühlen wir eigentlich? Ich denke, wir können uns schnell darauf verständigen, dass wir alle dieselbe Welt wahrnehmen – es wird sie schon geben, die Welt – aber eben jeder Mensch mit seinen mehr oder weniger eigenen Mitteln. Unsere Wahrnehmung der Welt, und dazu gehört ganz gewiss auch das Verhalten unserer Mitmenschen, besteht aus Vorstellungen, Schemata, Erwartungen. Wir sehen die Welt nicht unmittelbar, sie ist vielmehr das Produkt der Verwandlungen, der wir sie laufend unterziehen. Wir sehen alles nur als das Bild, das wir selbst erzeugt haben. Ebenso wichtig: Unsere Sinne nehmen andauernd Informationen auf, von denen nur ein Bruchteil in unser Bewusstsein dringt. Mit der Sprache versuchen wir dann meist, die Wirklichkeit zu beschreiben. Aber es ist eben nur unsere ganz individuelle Wirklichkeit. Kein Wunder also, dass unser Partner, unser Gegenüber manchmal so wenig von dem versteht, was wir sagen wollen. Zum einen, weil die Sprache Gefühle nur unzureichend umzusetzen vermag, und mögen wir darin auch noch so gut sein. Und zum anderen, weil wir ja selbst kaum wissen, was wir sagen wollen angesichts der Unmenge an unverstandener Information in unserem Unbewussten. Wir beschränken uns dann häufig auf Banalitäten wie das Wetter, oder vermeintliche Wahrheiten wie die Ergebnisse der Fußball-Bundesliga. Oder wir reden über andere, da ist Verständigung oft schnell und ohne große Missverständnisse und ohne eigene Verletzungen möglich. Doch wenn es an unsere eigenen Gefühle geht, dann sind wir unsicher, oder wir wagen uns erst gar nicht hin. Solange wir uns bei Gesprächen und Begegnungen leiden können und uns dieses Nichtwissen eingestehen, kann das Eintauchen ins Unbekannte recht vergnüglich sein. Doch wenn Faktoren wie Macht und Leistung, nennen wir es lieber Imponiergehabe, Wichtigtuerei und Rechthaberei ins Spiel kommen, dann wird für mich Kommunikation schnell zum Davonlaufen. Mit Menschen, die andere mal kurz in die Pfanne hauen oder mit schnellen Erklärungen daherkommen, mit denen muss ich nicht sein. Solche Schwächen werden nur verziehen, wenn zwei Menschen sich wirklich sehr mögen, aber lange gutgehen wird es auch da, und vielleicht gerade da, nicht. Was also tun? Am besten die Ansprüche nicht zu hoch schrauben und mit der Relativität von Wirklichkeit leben.
Versteht hier irgendjemand um was es mir geht? Ich hoffe doch, dass ich nicht ins Schwarze Loch hineintippe – well, und wenn schon, irgendwas musst du ja tun an so einem Regentag auf dem langen Weg in die Sterne… Jedenfalls wäre die Realität viel zu komplex, wenn wir sie nicht zu Schemata reduzierten. Diese durch Erfahrung vorgefertigten Muster erlauben es uns, Situationen schnell zu erfassen. Aber es sind halt immer nur unsere eigenen Muster. Wenn ich zum Beispiel ökologisch denke, dann stören mich die Kondenzstreifen der Flugzeuge am Himmel. Bin ich urlaubsreif und Südseefan, dann kriege ich bei ihrem Anblick sofort Fernweh. Und ein technischer Mensch erkennt womöglich an diesen Streifen den Flugzeugtyp. Ein Meteorologe sieht an ihnen wie das Wetter wird, und ein Künstler lässt sich vielleicht inspirieren. Sie sehen alle dasselbe, und doch bedeuten die Streifen für jeden was anderes. Das Verhalten der Mitmenschen fällt bei uns, genau wie alles andere, auf den uns eigenen Seelengrund, um es mal anders zu sagen. Eine chinesisch geschriebene Postkarte macht für meinen chinesisch sprechenden Freund sicherlich mehr Sinn als für mich, der ich nur unbekannte hübsche Zeichen sehe. Und für einen Straßenköter ist eine Laterne aus anderen Gründen attraktiv als für mich. Alle Wesen nehmen die Welt anders wahr, und machen aus ihr etwas anderes. Prima, soviel wissen wir nun. Heißt das, dass wir unendlich tolerant sein und zukünftig auch Nazis und Kinderschänder verstehen wollen? Ich werfe sie ungern in einen Topf, aber Ihr versteht auf was es hinausläuft? Natürlich gibt es Grenzen, und natürlich gibt es krankhaftes Verhalten. Aber wo genau ist diese Grenze…? Ich glaube, ich habe mich mal wieder verschrieben, und am besten ich lass diese Spur nun im Sande verlaufen. Soviel nur noch: Ich finde es manchmal unerträglich, wenn Menschen einen in Ihre Abstraktionen von der Welt hineinpressen wollen. Ich vermute aber, dass das auf dieser Welt eher die Regel ist als die Ausnahme. Eigentlich ist die Selbstbezogenheit von uns Menschen ziemlich tragisch, und besonders schwierig wird das wenn sich zwei Menschen sehr nah sind, sich lieben, und dann merken, dass sie ja doch zwei abgeschlossene Systeme sind. Am besten fährt man dann, sollte man zusammen oder befreundet bleiben wollen, wenn man die Diskussion nicht überstrapaziert und einfach anerkennt, dass es sich nunmal um mehr oder weniger abgeschlossene Systeme handelt bei uns Menschen. Und wenn es gekracht hat, vielleicht auch nachhaltig, dann ist es wohl klüger, anzuerkennen, dass Verständigung nicht möglich ist, dass es eben Gefühlsbereiche gibt, wo keine Harmonie möglich ist. Wenn einer der beiden ehrgeizig ist, da beim andern doch ranzukommen, und der andere ist eher selbstzufrieden und träge, zum Beispiel, dann kann es besonders schmerzlich sein, wahrscheinlich sogar für beide, wenn du verstehst was ich meine.
Nehmen wir noch kurz die Musik: Es sind ganz gewiss weniger die Worte, die uns ergreifen bei einem guten Song, und auch nicht die einzelnen Töne oder Akkorde. Es ist oft das was man eben nicht erklären kann dabei, all die vielen unbekannten Millionen Bits an Informationen, die wir beim Hören aufnehmen, ganz gewiss nicht nur mit den Ohren. Wir hören sicher auch mit der Haut, den zwei Dritteln Wasser, die wir sind, und all dem anderen, das wir gar nicht kennen. Es muss immens komplex sein, was da abgeht. Und dann versuchen wir Armen, mit den paar Worten, die uns gegeben sind, zu beschreiben was uns berührt an einem guten Song. Der eben nur wieder für uns gut ist, ein anderer bezeichnet ihn vielleicht als Schnulze oder als langweilig. Ich kann nur immer Adam Greene erwähnen, der total hipp ist, mich aber mit keiner Note, die er singt oder spielt irgendwo berührt. Dafür ist Van Morrison der reinste Gänsehauterzeuger für mich. Er könnte eine x-beliebige Werbeanzeige rauf- und runtersingen, es würde mich ganz sicher berühren. Mein Schwager liebt Chris de Burgh. Ich muss ihn lange hören, damit er mir auch nur ein Häarchen stellt. Und was einen an Jazz berühren kann ist mir bis heute ein Rätsel, ist doch die reinste Kopfmusik. Und dem Jazzer geht es vielleicht mit meiner Musik genau umgekehrt. Und so weiter. Gänsehaut hier, Achselzucken da. Wir Menschen sind Rätsel auf zwei Beinen…
Verlauft Euch nicht, Ihr komischen Wesen…
Euer Paulson (30.3.09)