Manchmal wird das Verhalten unserer Art ja mit dem Treiben im Affenkäfig verglichen. Finde ich ehrlich gesagt etwas schmeichelhaft, den Vergleich, für uns. Angesichts dessen, was in der Welt des homo sapiens sapiens so abgeht.
die menschen wollen
gerne kultiviert sein
die krone der schöpfung
das maß aller dinge
und sind so grobe tiere
die sich bekriegen
die sich belügen
die sich betrinken
und andere linken
die sich selbst loben
wie wild um sich toben
ihr leben lang schaffen
dabei sind sie nur
egomanische affen
Der Mensch ist ein ziemlich ver-rücktes Tier. Glaubt, er sei die Krone der Schöpfung, versieht sich exklusiv mit Würde und fängt an alles kaputt zu machen. Hey, wie dumm ist das denn? Sagt man nicht so, heute? Wenn ich mir beispielsweise die Entwicklungen in der sogenannten Informationsgesellschaft anschaue, jedenfalls das, was ich davon verstehe, dann fühle ich mich in dem ganzen System zunehmend fremd. Wie kann man nur das gesamte Leben von Computernetzen abhängig machen!? Es ist für mich bezeichnend für unsere Zeit, wie unkritisch wir mit den Veränderungen umgehen. Das Machbare wird eben gemacht. Die Diskussion folgt immer den Tatsachen, nicht umgekehrt. Die Ethik hinkt wie überall der Technik hinterher. Den allermeisten Leuten scheint es egal zu sein, ob sie angezapft werden oder nicht, hauptsache die Produkte und Dienstleistungen sind billig, oder am besten umsonst. Die Zahl der Facebook-Menschen hat die 1200 Millionen-Grenze überschritten. Offenbar ist es den meisten Usern egal, dass der Preis für ihre Mausklickfreundschaften irgendwann ihr gläsernes Detailprofil sein wird. Dieser Herr Zuckerberg – für viele ein strahlendes Beispiel dafür, dass der Amerikanische Traum lebt – soll als Student ein ziemlich asozialer Mensch gewesen sein. Er hat angeblich zu Beginn der Facebook-Zeit einfach Bilder seiner Kommilitonen ins Netz gestellt ohne sie zuvor gefragt zu haben, ob das okay ist. Und heute ist er Chef eines Mega-Unternehmens, das nichts weiter möchte, als Menschen vernetzen, um ihre Konsumentenprofile zu erstellen und damit Profite zu erzielen. Und die Menschen machen massenweise mit. Und nun hat Sugar Mountain whatsapp gekauft, für die Kleinigkeit von 19 000 Millionen Dollar; dieses kleine, 50 Mitarbeiter umfassende Unternehmen, das eigentlich gar nichts herstellt außer kostenlose Kommunikation, war also mehr wert als etwa adidas oder die RWE, letzteres ein Unternehmen mit rund 70 000 Angestellten. Entweder ich bin blöd, oder da ist was gewaltig faul. Hier geht es um Profit und Macht, und alle machen mit, ich kann es nur kopfschüttelnd wiederholen. Wenn es einer versteht, erklär es mir, bitte.
Was da gerade abgeht im Netz kommt mir vor wie die Errichtung einer Zweiten Welt, die immer mehr die echte ersetzt und deren Teil ich nicht bin und auch nicht sein will. Nein, ich mach da nicht mit und ich möchte auch nicht mal kurz in die DomRep fliegen, und nicht einmal ADAC-Mitglied möchte ich sein. Das was die friedliche und freie Welt dominiert – Kommunikationsmedien, grenzwertige Fernsehprogramme, Fahr- und Flugzeuge, und all die anderen Krachmacher, Zeitkiller, Luxus- und Wegwerfwaren, das ist einfach nicht mehr meine Welt. Und ich habe den Eindruck, dass es ganz vielen Menschen ebenso geht, aber irgendwie findet niemand den Ausschalt-Knopf. Und bei der Arbeit ist es genauso. Überall herrscht ein enormer Druck, ein krank machendes Tempo. Wir verbrauchen rücksichtslos und in atemberaubender Geschwindigkeit die Rohstoffe des Planeten. Die Wasser-, Luft-, Himmels-, Licht- und Lärmverschmutzung nimmt inzwischen ein absurdes Ausmaß an. Wir geben immer größere Hypotheken einfach an die nächsten Generationen weiter und zerstören aus purem Egoismus die Grundlagen allen Lebens. Hauptsache die Wirtschaft brummt. Hauptsache es geht uns heute gut.TOLL! Und der wahre Mensch schlummert dabei im Unterbewusstsein, kommt nicht zum richtigen Leben, weil der fremdbestimmte unaufhörlich unter Druck steht und am Machen ist. Und er erholt sich, indem er wieder großen Aufwand betreibt. Er jettet durch die Welt oder rennt gegen die Zeit durch den Wald oder lässt sich im Wellness-Hotel verwöhnen, all inclusive, drunter geht es nicht. Das Nahe, das Stille, das Kleine, es ist ihm nichts mehr wert, weil er eingeredet bekommt, sein Leben lang, dass das Höher-Schneller-Weiter das Maß aller Dinge ist. Wenn ich nur an all die noch nicht manipulierten Kinderseelen denke und was dann mit ihnen geschieht… So wird das Leben im “reichen” Westen – und der ist bald überall – immer mehr vom kommerziellen und technischen Außen bestimmt und der Mensch selbst wird zunehmend zum Artefakt.
der mensch
ist nichts als ein blatt
an einem baum
dort im wind
einen sommer lang
Wir waren nie so frei wie heute. Das ist schön, für jeden einzelnen; aber es ist auch der Grund für die Probleme, die wir bald nicht mehr werden bewältigen können.
Viele merken zwar, dass da ganz gewaltig was schief läuft (es gibt ja auch alle denkbaren Informationen zu den von den Menschen gemachten Problemen der Welt) und sie schaffen sich ihre Nischenwelten, so wie ich auch, aber das Große Ganze hält niemand auf. Man ist chancenlos gegen die Monstren von Wirtschaft, Politik und Lobbyismus. Vom Militär und den Geheimdiensten erst gar nicht zu sprechen. Pro Kopf sind wir übrigens auch Weltmeister im Waffenexport, nicht nur was das Rasen auf unseren Straßen anbelangt. (Ich würde tatsächlich davor warnen über andere herzuziehn). Letztlich sind die Menschen nur die Produkte von alledem, aber auch umgekehrt: wir bekommen die Realität , die wir uns selbst schaffen.
Die größte Sorge der Deutschen scheint sich tatsächlich um ihr Auto zu drehen. Wie sonst könnte man sich das hier erklären: Der Spiegel, 0,9 Millionen, TV Movie 2,2, ADAC Motorwelt 13,7 Millionen Auflage. Stand neulich in der FAZ. Ja geht´s noch? So sagt man doch heute, oder? Ich hab in meinem Leben noch keine Autozeitschrift länger als eine Minute in der Hand gehabt. Ja, auch der Autowahn in meinem Land geht mir ziemlich auf die Nerven, so wie der Flugwahn und der Konsumwahn und wie sie alle heißen. Wir amüsieren uns zu Tode, so titelte einmal der Amerikaner Neil Postman. Nach uns ist uns offensichtlich egal.
Ich schreibe das nicht, weil ich denke, dass die Menschen nicht frei sein sollen, sondern weil diese vermeintliche Freiheit freier Bürger nach unseren Städten auch die restliche Landschaft nach und nach mit Beton und Aspahlt überzieht. Für uns ist die Individualmobilität zugleich Religion und erstes Bürgerrecht. In unseren Adern fließt Benzin. Wenn Amerikaner einen Wagen leihen und auf die deutsche Autobahn geraten, dann haben sie nach eigenen Aussagen regelrecht Angst. Es ist der Wahnsinn, dass man bei uns 300 Kilometer in der Stunde fahren darf, wenn man es will. Und ausgerechnet wir regen uns über die abartigen Waffengesetze in den USA auf?! Wie dumm ist das denn?! Täusch ich mich, verblöden wir gerade im Porsche-Tempo? Frage mich, wie eine Gesellschaft, bei der sich langsam fast alles um Konsum und Spiele dreht, das in Krisenzeiten hinbekommen will. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass wir unser Leben von großen Jungs bestimmen lassen, von Menschen, die nie erwachsen geworden sind und denen es nur um ihren eigenen Profit und ihr Ego geht. Und keiner wehrt sich, weil sie uns so schöne Spielsachen schenken.
Wahrscheinlich gibt es gar keinen Aus-Schalter, der Mensch ist wohl überfordert und für eine solch komplexe Dynamik nicht gemacht. Schließlich lebten wir vor ein paar Jahren noch in kleinen Horden und zogen von Höhle zu Höhle, wo die Probleme überschaubar waren. Nein, die künftigen Generationen sind nicht zu beneiden. Falls sie noch leben dürfen.
Es gibt natürlich im Internet und den anderen Medien und auch in der Welt der Dinge ganz wunderbare Produkte mit hoher Qualität. Aber täusch ich mich, wenn ich glaube, dass Qualität nur noch von einer kleinen Minderheit überhaupt als solche erkannt wird? Wenn man sich einmal etwas von seiner eigenen Art distanziert, mit Abstand auf das Verhalten der Artgenossen blickt, ist dann nicht ganz vieles ziemlich lächerlich, aber auch beängstigend?
Wenn uns Außerirdische betrachten könnten, sie würden sicherlich die Köpfe schütteln, falls sie welche haben. Oder sie würden uns auffressen, so wie wir alle anderen Tierarten, weil wir so lecker sind und sie uns halt überlegen.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht, so heißt es doch? Was bleibt uns sonst auch übrig?
Ich lese derzeit erstmals meine Amerika-Tagebücher aus den Jahren 1983/84, tauche ein in das fast-Vergessene, amüsiere mich darüber und ich weiß doch, dass ich noch genau derselbe Mensch bin – wer auch sonst? Wir kamen damals in der Vor-Internet-Zeit bärtig und langhaarig als Austauschstudenten in die USA – und da war diese Mode aber sowas von vorbei. Wir trafen auf Muskelmänner und Baseball-Mützen. Es war wohl, wie wenn sie im Zoo zwei völlig verschiedene Tierarten in ein Gehege sperren. Sagen wir mal, uns, die Affen, zusammen mit den coolen Pinguinen. Wenn man es heute sehen könnte, vieles wäre wohl sehr lustig. Besonders witzig finde ich aber, dass die heutige Jugend in 30 Jahren genauso vorgestrig daherkommen wird wie wir 1983. Ich war damals ziemlich politisch, wir haben gegen Reagan und seine Militärpolitik demonstriert und fanden so manches am amerikanischen Leben, auch jenseits der kommunistischen Angst, ziemlich absurd. Zum Beispiel, dass sie im Fernsehen Filme unterbrachen, um Werbung zu zeigen! Oder die Strichcodes in den Supermärkten und auf dem Kassenbon stand drauf, was man gerade gekauft hatte! Und wir durften vier Tage lang 88 Kilometer in der Stunde nicht überschreiten als wir von New York nach L.A. fuhren. Das fanden wir als deutsche Benzin-im-Blut-Wesen auch unglaublich.
Die Menschen dachten zu allen Zeiten und in allen Kulturen dass sie das Richtige tun. Heute sorgen die Globalisierung und das Internet dafür, dass Jugendliche auf der ganzen Welt ähnlich ticken. Als der junge Neil Young 1971 bei der BBC in London auftauchte, da werden die steifen Engländer ganz schön gestaunt haben. Der langhaarige Kanadier mit seinem Cowboy-Outfit und seiner Blues-Harp-Sammlung im Jacket. Damals war sein Sound wohl was ganz Neues. Acht Jahre vor der Thatcher-Ära musste der Junge bei den nachkolonialen Briten wie eine Art Erscheinung rübergekommen sein.
Damals dauerte es noch Jahre, bis Dylan und Co bei uns ankamen, es gab Schallplatten und sogar schon Kassettenrekorder, ich erinnere mich, dass ich die Dinger immer mit dem kleinen Finger zum braunen Anfang hingedreht habe. Downloadien war noch ein unbekanntes Land. Dylan und Young gehörten zu meinen Helden. Ich trage diese Mythen heute noch unter der Haut, man wird sie auch nie mehr los. Dass man langsam alt wird, sieht man auch an diesen Legenden, die allesamt, jedenfalls bei mir, ihren Zauber verloren haben. Ich höre mir so gut wie nie was von ihnen an, neige ohnehin nicht zur Nostalgie, glaube ich jedenfalls. Es gab damals in meinem Freundes- und Bekanntenkreis auch einige, die kauften sich die einschlägigen Zeitschriften und wollten alles über ihre Idole wissen und erfahren. Mich hat das Leben dieser Menschen nie wirklich interressiert. Ich lese weder Musikerbiografien, noch Musikzeitschriften. Nicht mal die Texte habe ich mir genau angeschaut damals – von Dylan mal abgesehen – mich interessierte schon immer mehr die Stimmung, der Sound. Ich habe mich dadurch inspirieren lassen, habe schon als Teenager angefangen Songs zu schreiben.
Eigentlich klangen Dylan und Young ja ziemlich schrecklich, Bob krächzte, dafür aber ziemlich Klartext-mäßig, Neils Singen war im Grunde ein Weinen. Ich fand damals beides wunderschön, lasse mir aber nicht unterjubeln, dass beides eben meinem eigenen inneren Zustand und meiner Art zu singen entsprach, denn ich hörte ja schließlich auch Joni Mitchell und Rita Coolidge. Letztere fand ich nicht nur unheimlich sexy, ich finde auch heut noch, dass sie toll singen konnte. Zwar Schnulzen, aber sie erreichte spielend mein Sehnsuchtskämmerchen. Es war einfach der Sound und das Gefühl, die mich ansprachen und das ist heute noch so. Der Mensch besteht ja in erster Linie aus Sehnsüchten. Ich kann stundenlang Jazz oder Klassik hören und es wird mich nichts dabei so berühren wie eine einzige gute Phrase von John Mayer. Und bei jedem ist es halt anders. Noch sind wir nicht geklont. Genießen wir die Zeit bis dahin. Musik ist ein Medium, das unsere tieferen Schichten erreicht. Entweder du kriegst Gänsehaut, wenigstens aber eine Vorstufe dazu, oder eben nicht. Natürlich glaube ich, dass das damals echter war und dass wir politischer waren, weniger materialsitisch, weniger oberflächlich. Man muss ja was glauben dürfen in dieser gottlosen Zeit. Also bleibe ich jetzt einfach dabei und glaube das. Und was die Verrücktheit der Menschheit und all die Perversionen und Veränderungen angeht: Es ist gut, dass man irgendwann gehen darf. Das sagte neulich ein kluger, von mir sehr geschätzter Mensch. Sollen sie doch schauen, wie sie ohne mich klar kommen.
Seht und hört Euch den jungen Young an und wenn Ihr Zeit habt auch noch den akustischen Teil des Konzerts von John Mayer, der offensichtlich einfach alles kann: schreiben, singen, spielen, ein American Wunderkind, das mit jedem Ton grandiose Musik schenkt.
http://www.youtube.com/watch?v=LWlD7R9VdrM
http://www.youtube.com/watch?v=pApCvb1VgvU
Tja, so kann es gehen: Das Konzert von John Mayer haben sie in Deutschland rausgenommen aus YouTube. Offensichtlich ist doch nicht alles umsonst im Netz. Einen schönen Song aus diesem Konzert hab ich aber noch gefunden im globalen no-cash-and-carry-Laden.
http://www.youtube.com/watch?v=20Ov0cDPZy8&list=PL70CA06C257CB1EEB
Paulson