2021

burg 231

schwarz und weiß waren die farben der preußen
schwarzweiß war auch das denken über sie

dabei gab es so viele schattierungen dazwischen

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 230

die menschen waren nicht zornig
weil die herren dieser burg
ihre vorfahren beherrscht hatten

der schöne anblick stimmte sie milde
so wie die fast unbegrenzte freiheit
die sie seit generationen genossen

so nahmen sie sie im sturm
– aber mit den herzen –
den von der zeit geheilten

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 229

dass sich der entmachtete thronfolger
noch immer mit königliche hoheit ansprechen ließ
war wohl mehr selbstironischer theaterzauber

jedenfalls blieb das zu hoffen

andererseits und angesichts dessen
was er hätte sein können…

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 227

als die menschen so frei waren wie nie
sehnten sich manche zurück in eine welt
die alles andere war als frei

einzelne behaupteten allen ernstes
diese welt habe niemals aufgehört zu sein

dies zu sagen schien mehr als verwegen
aber der wahn war teil ihrer freiheit
genau wie die toleranz die ihn ertrug

so menschelte es pausenlos unten im tal
während sie gelassen über ihnen thronte

 

pics & words: © paulson

 

burg 226

es gab zeiten unter der burg
da geschahen grauenvolle dinge

damals während der gewaltherrschaft
entmenschlichter deutscher männer
die das ganze land und halb europa
mit ihrem schrecken überzogen 

und auch entlang des albtraufs
wehrlose zu tode gequält hatten

so gefühlskalt und unbarmherzig
gingen die herrenhenker zu werke

dass den gepeinigten die tränen froren
weil ihnen in pausenloser todesangst 
keine zeit mehr zum weinen blieb

dass die täter dann am ende
auch noch die listen mit den namen
der ermordeten verschwinden ließen
zeigte das ganze ausmaß ihrer niedrigkeit

nach dem ende des staatlichen terrors
sorgten dann die alliierten befreier dafür
dass die opfer ihre würde zurück bekamen 

als es um die schuldfrage ging war es wie immer

einige stellten sich der verantwortung
andere wollten nichts gewusst und gesehen haben
und der große rest schwieg und verdrängte 

inzwischen war viel gras und wald darüber gewachsen
und der kz-friedhof lag verborgen neben der schnellstraße

naturgemäß wollte sich nicht jeder
mit diesem kapitel von heimatkunde befassen

wer aber wissen wollte welche herzzerreißenden tragödien 
sich da tausendfach am fuße der burg zugetragen hatten
konnte das dank der arbeit einer gruppe von menschen tun
die unverdrossen gegen das vergessen ankämpften

jene die keine scham empfanden fragten

warum nicht einfach vergessen?

die antwort 

es ist noch immer derselbe mensch

 

pics & words: © paulson