wie ein riesenhafter stern
strahlte die fahne der preußen
zwischen den dunklen türmen
hinaus ins stille zollernland
es war in den winterwochen
der zwangsläufigen verinselung
als er hinaufschaute und glaubte
eine kleine gestalt wahrzunehmen
die sich von zeit zu zeit bewegte
dann schärfte sich sein blick
auf wundersame weise
und erzeugte ein bild
von unwirklicher klarheit
übergroß und zum greifen nah
stand dort ein gealterter prinz
mit ernstem gesicht und einem
glas schweren dunklen weines
an einem der vielen fenster
inmitten des in rot getauchten
mittelalterlichen prachtgemäuers
zum ersten mal überhaupt
war er mutterseelenallein
im nächtlichen palast
auf dem monte solaris
und zum allerersten mal
wurde ihm wirklich bewusst
wer er denn eigentlich war
und was er hätte sein können
wenn alles ein wenig später
oder anders gekommen wäre
und jener der emporschaute
ihn dort so stehen sah
und in ihn hineinblickte
stand seinerseits am fenster
grüßte hinauf zum einsamen
mit einem glas vom roten
mit ebenso ernstem gesicht
denn auch er sah nun erst
was er hätte sein können
was er hätte werden sollen
unter den anderen umständen
wenn alles anders geworden
oder wenn er ein wenig früher
auf diese welt gekommen wäre
dann
vollkommen unvermittelt
gerade als er im begriff war
den anderen anzusprechen
löschte jemand die beleuchtung
und sie verschwand in der nacht
der prinz aber stand noch
eine weile dort am fenster
und träumte gedankenverloren
hinunter auf die goldenen lichter
der kleinen schwäbischen stadt
dann erhob er sich schließlich
und ging durch den großen saal
seine schritte hallten noch nach
als er bereits verschwunden war
es war der 24.12.2020
pics & words: © paulson