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burg 171

so stand sie rätselhaft und schön
zwischen physik und metaphysik
zwischen erde und himmel
über alle dinge erhaben

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 170

es war ein unbestimmtes
das ihn überkam in ihrer nähe

aber immer war es ein erhebendes

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 169

wie ein riesenhafter stern
strahlte die fahne der preußen
zwischen den dunklen türmen
hinaus ins stille zollernland

es war in den winterwochen
der zwangsläufigen verinselung
als er hinaufschaute und glaubte
eine kleine gestalt wahrzunehmen
die sich von zeit zu zeit bewegte

dann schärfte sich sein blick
auf wundersame weise

und erzeugte ein bild
von unwirklicher klarheit

übergroß und zum greifen nah
stand dort ein gealterter prinz
mit ernstem gesicht und einem
glas schweren dunklen weines
an einem der vielen fenster 
inmitten des in rot getauchten
mittelalterlichen prachtgemäuers

zum ersten mal überhaupt
war er mutterseelenallein 
im nächtlichen palast
auf dem monte solaris

und zum allerersten mal 
wurde ihm wirklich bewusst
wer er denn eigentlich war
und was er hätte sein können
wenn alles ein wenig später
oder anders gekommen wäre

und jener der emporschaute
ihn dort so stehen sah
und in ihn hineinblickte

stand seinerseits am fenster
grüßte hinauf zum einsamen 
mit einem glas vom roten
mit ebenso ernstem gesicht
denn auch er sah nun erst
was er hätte sein können
was er hätte werden sollen
unter den anderen umständen
wenn alles anders geworden
oder wenn er ein wenig früher 
auf diese welt gekommen wäre

dann
vollkommen unvermittelt
gerade als er im begriff war 
den anderen anzusprechen
löschte jemand die beleuchtung

und sie verschwand in der nacht

der prinz aber stand noch
eine weile dort am fenster
und träumte gedankenverloren
hinunter auf die goldenen lichter
der kleinen schwäbischen stadt

dann erhob er sich schließlich
und ging durch den großen saal
seine schritte hallten noch nach 
als er bereits verschwunden war

es war der 24.12.2020

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 168

getrieben von uralten wünschen
stürmten die romantischen
zur adventszeit nach oben

damit das schöne sie ergreife

ein wenig innehalten
ein wenig träumen
ein wenig zauber

im jahr der seuche aber
blieben die tore geschlossen

da standen sie länger noch
da schauten sie sehnender noch

und hofften auf bessere zeiten

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 167

das traumartige
welches in jedem wohnte
hatten sie auf den berg gemauert

kaum etwas berührte sie tiefer
als dieses bild von traum

warum es so war
wussten sie nicht

und das war auch gut so

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 166

 

wer ihren anblick liebt
der sollte sie vielleicht
doch besser nicht betreten

damit die träume
sich auch weiter
um die türme ranken

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 165

es hatte geschneit
sie stand im winterkleid

er schaute die pracht
das hatte über nacht
der wind gemacht

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 164

am ersten tag des dezembers
gleich nach der geisterstunde 
kam der neue winter bebend
aus dem zollerngraben herauf
und rumpelte die schlafenden
aus den süßen traumlanden

er hatte das grummeln
schon wahrgenommen
bevor das schütteln kam
sein hölzerner adventsstern
vom regal herunterstürzte
und sich einen zacken brach

auch der schönen der nacht
war einmal vor vielen jahren
bei einem solchen geschehen
einer aus der corona gebrochen

er schaute hinüber zur lady in red 
da sein herz sich wieder beruhigte

alles war gut

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 163

immer war sie großes theater
und die sterblichen strömten
hinter die goldenen mauern
das schöne zu schauen

aber auch wenn sie schlief
in der kalten schwarzen nacht
erwärmte sie noch die herzen 
als ein bild aus dem träumeland

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 162

seine vorfreude auf schnee
war eines der schönsten gefühle

wenn sie dann endlich 
im weißen kleid glänzte
unterm tiefblauen himmel
vom zauberzeug überzuckert
dann strahlte sie nicht allein

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 161

stille 
schönheit
harmonie

all das war sie

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 160

während die tapferen maschinenkrieger
im unermüdlichen kampf gegen die stille

jeden nur erdenklichen lärm veranstalteten
und glücklicherweise keine igel häckselten
jedenfalls nicht von außen wahrnehmbar

stand sie gelassen unterm grauen himmel
und träumte über dem lauten land 

 

pics & words © paulson 

 

 

burg 159

wie ein gut gemachter popsong
war auch sie herrlich einfach
ein wenig sehr kitschig
und wunderschön

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 158

wer eine atmende burg
mit weit offenen armen
mal so zu erobern gedachte
stand vor verriegelten toren

nichts war ihr bedrohlicher
als mangelnde distanz

wer es dennoch wagte
dem zeigte sie ihre größe
und schrumpfte ihn zum zwerg

dann ließ sie den adler steigen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 157

kinderaugenseelenfutter

der blick nach oben
machte etwas schönes
mit den menschen

hätte sie nicht da gestanden
auf dem alten zeugenberg
man hätte sie unbedingt
dort hinaufbauen müssen

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 156

und dann war sie plötzlich
lady ganz in red
a t e m b e r a u b e n d
im sternbild des orion

ja ist denn schon weihnachten

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 155

in den dunklen sorgentagen
hatte sie sich geschmückt
um den beunruhigten
draußen im lande
ein lächelndes staunen 
aufs gesicht zu zaubern

 

pics & words: © paulson 

 

 

 

burg 154

jeder war ein überraschungsei

man konnte unmöglich wissen 
was aus dem mit dem leben
beschenkten herauskam

sie war auch so eine wundertüte
weil man bevor man dort war
keineswegs wusste was sie
mit einem machen würde

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 153

manchmal erinnerte ihn die szenerie
an einen schlafenden drachen
mit einer krone auf dem haupt
die aussah wie eine burg

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 152

dieses verlangen nach früher
war es eine selbstberauschung
die jenes das vergangen
letztlich das eigene leben
für eine kleine weile
wieder ins jetzt holte

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 151

es gab da eine sehnsucht
nach den alten tagen
als männer noch männer
die welt noch ungerechter
ehre stolz und krieg
noch werte waren
die den menschen
gänsehaut machten

zugegeben hätten sie das nie

konnten sie auch gar nicht

ahnten es ja nicht einmal

so gut erzogen waren sie

erfreulicherweise

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 150

von unten nach oben
zogen kräftige tiere
berge von stein
zum steinernen berg
dort am fuße der alb
dass eine burg entstehe

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 149

er erhöhte und verklärte sie

das war ihm wohl bewusst

aber hatte nicht jeder seinen mythos

die halbe menschheit glaubte doch
an ein göttliches wesen im himmel
an teufel engel und paradies

und fast alle hielten sie den sterblichen
also keinen geringeren als sich selber
für die krone der schöpfung

unzählig die geschichten und bilder
die sie zu allen zeiten erfanden

immens das verherrlichungspotenzial
unerschöpflich die einbildungskraft

alles erdenkliche wurde da angebetet 

geister hexen autokraten
jede art von automaten
begehrenswerte sapiens
solche mit sehr viel potenz
ideen märchen und saphire
gärten ufos schmusetiere
dinge künste und die liebe
orte worte ballgeschiebe
körper lüste männerbrüste
schreine weine leberwürste
schräges und geheimes
großes und ganz kleines

wer wollte konnte es hören
das seelendröhnen so gewaltig
im gewimmel der milliarden

der mythos
war viel größer als der mensch

und das war gut so

was hätten sie auch tun sollen
in der langen träumezeit
bis zum wiederverschwinden

und so spielte und fabulierte er
halt eine weile mit der burg

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 148

bröselnd stand die festung
auf dem bröckelnden gestein
des porösen mittelgebirges
und döste so vor sich hin

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 147

scheinbar unbeeindruckt
stand sie in der zweiten welle

auf besucher zu verzichten
schien ihr nichts auszumachen

sie war eh auf winter eingestellt

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 146

ob man spaß haben konnte
dort oben auf dem berg
das wusste er nicht genau

er nahm es aber mal an

für ihn war es jedenfalls
eine besondere freude

dort zu besuch zu sein

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 145

dass sie immer nur schwieg
beunruhigte ihn nicht sehr

was hätte sie auch sagen sollen

als burg

bei einem lieben menschen
wäre das anders gewesen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 144

auf den felsenresten
eines uralten meeres

ruhte sagenumwoben
das märchengemäuer

es war ein heißer tag
und er staunte hinüber

da sie verschwamm
wie unter wasser

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 143

auch wenn es so aussah

welt ≠ berechenbar

und auch nicht das leben

so wie es nicht für immer war

weil sie das spürten
kamen sie zum träumen

bei ihr wurden sie still
und dankbar

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 142

schön stand sie da
in der anbrechenden
schönen neuen welt
der technisierten zeit

was sie wohl sein würde
für die auf virtuellen schienen
laufenden neuen menschen

er hielt es für denkbar
dass sie sich auch dann noch
persönlich nach oben begaben

trotz alledem

 

pics & words: © paulson / music: youtube artists

 

 

burg 141

die höhle
war die mutter
aller burgen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 140

 

am mythos soll der schmerz
dir märchenhaft genesen
dann ist die andre welt
als wär sie nie gewesen

er ist dir trost
er ist dir wendung
er löst dich los
von alter sendung

komm hoch du mensch
zur zauberschönen
und lass dich gleich
und ganz versöhnen

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 139

jenseits aller trends und moden
war sie immerschön
und immerda

und trost

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 138

wenn sie aus den öden tiefen
des gestörten konsumkrieges

zum träumegemäuer hinstiegen
kamen sie mit jedem schritt
dem frieden ein wenig näher

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 137

wer in ihr magnetfeld geriet
konnte gar nicht anders
als nach oben zu schauen

das uralte bild war tief in den seelen
der in die ewigkeit reisenden verankert

 

pics & words: © paulson / 

 

 

burg 136

ein derzeit grassierender verschwörungsvirus besagte
dass die burg hohenzollern nur erbaut worden war
um einen teil potenzieller verschwörungsmenschen
mit fantasievollen königs- und kaisergeschichten
von noch abstruseren falschmeldungen fernzuhalten

dass dabei die reichsbürger-gesinnungsbrüder
und artverwandte sehnsüchtige entstehen würden
war den erbauern von damals nicht anzulasten
schließlich konnte man unmöglich alle absurditäten
dieser seltsamen tierart homo sapiens vorhersehen

auch die heutigen verantwortlichen der burg
waren davon überzeugt dass sie noch immer
ein gesellschaftlich bedeutsames projekt leiteten
denn ein teil der todgeweihten neige nun einmal
zu verzweiflungsvorstellungen und wirren taten
da sei es doch besser sie märchenhaft einzunebeln
lieber ein harmloser sinn als überhaupt keiner
dabei komme nur gefährlicher unsinn heraus

anmerkung

der noch viel dümmere sich wieder verbreitende unsinn
dass es sich beim prachtbau um ein ufomobil handele
welches dabei sei die invasion schwabens vorzubereiten
kann damit ad acta gelegt werden

warum sollte auch jemand schwaben erobern wollen

von der burg einmal abgesehen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 135

war es denkbar
dass er sich das alles
einfach nur einbildete

die hand die schrieb
das haus die burg die welt
das hirn mit dem er dachte

ja das war denkbar

er schaute hinüber

sie war noch da

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 134

an manchen tagen
war die prächtige kaum zu sehen
weil der himmel so mächtig war
dass sie fast darunter verschwand

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 133

ungläubig schaute er auf die worte und bilder
unfassbarkeiten tag für tag – schon jahrelang

er schwankte zwischen mitleid verachtung und spott
manchmal war ihm buchstäblich übel geworden

nie hätte er einen wie den für möglich gehalten

das alles war weder ein sehr schlechter film
noch befand er sich in einem wirren traum
was sich hier abspielte war die wirklichkeit

amerika wurde von einem rüpel angeführt
wie er sonst nur in unrechtsstaaten vorkam
von einem bully wie er im buche stand
einem ungeheuer gewissenlosen manipulator
einem durchgeknallten totengräberknaben
einem empathielosen alphamännchen
das ungestraft seine horrorshow abzog
das gefährlich mit dem feuer spielte
und dann auch noch ständig öl hineingoss

dessen einzige meisterschaft darin bestand
in den disziplinen mobbing und narzissmus
weltumspannend konkurrenzlos zu sein
selbst übelste diktatoren wirkten harmlos
wenn sie neben diesem rambo standen

es war wirklich kaum zu glauben
aber in den von ihm geschätzten usa
regierte tatsächlich der nackte wahnsinn
in form einer überspannten goldlocke
die offenbar nicht mehr zu stoppen war

wie musste es um ein land stehen
das sich so einen präsidenten wählte
und wie furchtbar musste es sein
als aufrechter demokrat dort zu leben

oder war seine einschätzung zu streng
weil dieser bedauernswerte mensch
eine schlimme kindheit gehabt hatte

und früh auf die schiefe bahn geraten
und später nicht mehr in der lage war
dem triebhaften in ihm herr zu werden

aber selbst wenn es so gewesen wäre
wie konnte dann ausgerechnet so einer
der mächtigste mensch der welt werden

er würde ein freudenfeuer entfachen
wenn diese lichtgestalt der umnachteten
dieses aggressive monstrum von egomane
und lebende sinnbild für niedergang
dieses dauertrumpetende trumpeltier

und ganz offenbar vom teufel besessene
deutschstämmige gruselmännchen

wieder verschwunden sein würde

er hörte sich atmen
spürte wie sein puls raste
wie sehr er sich aufgeregt hatte
der schweiß stand ihm auf der stirn
und seine hände zitterten
als gehörten sie nicht zu ihm
er legte sie auf die heißen wangen
und schüttelte erschöpft den Kopf

um sich ein wenig abzukühlen
ging er hinaus auf die terrasse
schaute hinüber zur burg und spürte

wie langsam die wut einem zauber wich

so schön stand sie da im herbstlichen licht

er lächelte sie an als wäre sie seine geliebte
die ihn bei einer albernheit ertappt hatte

aber dann schlich sich gleich wieder
ein gedanke mitten in die freude

den er nicht mehr los wurde

mit einiger wahrscheinlichkeit
so kam es ihm in den sinn
wäre diese abstoßende person
ein großartiger burgherr geworden
womöglich sogar könig oder kaiser

er zog die schuhe an und rannte los
ein glück dass es draußen im wald
noch ein paar entlegene stellen gab
wo keiner sein schreien hörte

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 132

von jenem mons solaris
dem alten zeugenberg am trauf
stammte die gruppe von menschen
die man gemeinhin als hohenzollern bezeichnete
und der ein eiserner wille zur macht zu eigen war
ein unbedingtes herrschenwollen
ein bedingungsloses sich behauptenmüssen
im ewig wiederkehrenden hauen und stechen
der miteinander konkurrierenden völker
um menschen territorien und naturschätze

was als preußische tugenden galt
meinte letztlich jene eigenschaften
welche zweifellos zu allen zeiten
bei allen anführern zu finden waren
die diesen willen zu macht und machterhalt
mit harter hand und unter größten opfern
durchzusetzten imstande waren

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 131

gerne wäre er hochgeflogen

weil er aber keine flügel hatte
begnügte er sich damit sie anzuschauen

an nebeltagen träumte er sich zu ihr

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 130

weil sie in der digitalen postmoderne
nicht besonders glücklich waren
pilgerten sie ins analoge mittelalter

dass sie dieses nicht heilen konnte
wussten sie natürlich

aber für eine kurze zeit
waren sie dort in luftiger höhe
wieder ein klein wenig geerdet

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 129

schräge gestalten gab es auf der burg jede menge

manche versteckten sich noch hinter der schönheit

die das schicksal ihnen geschenkt hatte

fast alle aber ähnelten schon den gespenstern
die sie etwas später sein würden

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 128

wer den mythos als auszeit betrachtete
war ein ganz normaler besucher

wem er aber als lebensprinzip diente
war ein hoffnungsloser träumer
ein wandler im schönen
und der welt verloren

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 127

der prachtbau
dort auf dem berg
wollte ihnen einreden
dass früher alles besser war

wer das dachte glaubte wohl an märchen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 126

das bild von burg und berg
wirkte augenblicklich

wer es nicht sah
war sehr beschäftigt
und dieser welt
ein wenig verloren

 

pics & words: © paulson

 

burg 125

so standen sie
die schöne aus stein
und der betrachter
erhaben und ergriffen
im großen weltspiel
von werden und vergehen

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 124

ihr geheimnis war
dass keiner wusste
seit wann es sie gab
weil ihr ursprung
im dunkel der zeit
fest verborgen lag

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 123

es war ihm klar
dass er es war
der da erklang

doch schien es ihm
als kämen die töne
direkt aus ihr

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 122

er wusste dass man mit worten
und mit gedanken musizieren konnte

dass es auch mit steinen möglich war
berührte ihn zutiefst

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 121

für jene
sie sich die menschheit schönträumten
war diese mythische märchenburg
ein bedeutsames bildungsziel
eine illusion die man verklären
an die man glauben konnte

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 120

nicht nur bei märchenburgen

selbst beim bau einer datenautobahn
lag eine romantik zugrunde

auch wenn sie vernünftige gründe nannten

der sapiens war zuallererst ein bauchtier

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 119

dass dieser bezos die größte maschine
des globalisierten konsumkapitalismus
ausgerechnet nach dem artenreichsten
noch bestehenden ökosystem benannt hatte
war eine geschmacklosigkeit sondergleichen

ebenso hätte man den letzten deutschen kaiser
einen sozialistenfreund nennen können
oder die burg einen plattenbau

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 118

der reiz war groß
das verbotene zu tun

die bemannt und unbemannt
durch die luft sausenden sapiens
mussten es natürlich tun

zumindest jene die glaubten
gleicher zu sein als die anderen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 117

manche bezeichneten sie als romantischen kitsch

doch selbst wenn sie das gewesen wäre
so hätte man doch zugeben müssen
dass der ziemlich gut gemacht war

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 116

wenn einer vom zeller horn aus
aufs märchengemäuer hinübersah
und dabei von nichts berührt war
als von einer schönen aussicht
dann konnte man gewiss sagen
dass dem nicht mehr zu helfen war

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 115

enge und weite
das war die burg

ein wenig grusel
und eine ahnung
vom himmelreich

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 114

die seelenlose digitalisierung
des gesamten planeten erde
stellte alle auf virtuelle schienen
über die sie von einigen wenigen
durch ihr leben geschickt wurden

die angeblich so genialen visionäre
aus dem kalifornischen silicon valley
waren viel eher datenmonopolisten
milliarden scheffelnde goldgräber
und machtmenschen vom schlage
eines doktor frankenstein x.0
denen es gelungen war
die homo sapiens kollektiv
in ein unsichtbares labyrinth
von einsen und nullen zu sperren
aus dem es kein entrinnen gab

in der menschheitsgeschichte hatte man
wohl noch keine rattenfänger gesehen
die es derart erfolgreich geschafft hatten
die jugend so vollständig einzusammeln
ins blendlicht von süßen verheißungen zu führen
wo diese sich einbildete king of the world zu sein
und für ihre zwecke in parallelwelten zu schließen

derart gewaltig waren die versprechungen
dass kaum einer sie noch in frage stellte

gegen das virus der künstlichen intelligenz
welches die datenautobahnüberholspurnerds
neuerdings in die welt gebracht hatten

kannte die natürliche intelligenz des sapiens
offenbar keinerlei gegenmittel mehr

so weit reichten die veränderungen
dass es schon bald unmöglich sein würde
zu sagen was eigentlich ein mensch sei

auch die vom burgberg übers land
gekommenen hohenzollern-hoheiten
waren machtmenschen gewesen
und hatten jahrhundertelang
die puppen
mächtig tanzen lassen

nun aber
da sich die neue revolution vollzog
waren sie seit vielen jahren passé

nur der stammsitz stand als nachbau
noch märchenhaft und wohltuend analog
auf dem kegelberg am rande der alb

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 113

die mythische alternative
zur schönen neuen datenwelt
war die schöne alte welt
des analogen menschseins
mit all seinen schwächen

 

pics & words: © paulson / music: youtube artists

 

 

burg 112

die alles vorwärtstreibende moral 
ihres durchtechnisierten zeitalters

scheute den blick ins abgründige

wer einen burgbesuch wagte
konnte in beide richtungen blicken

außen lag das land vor einem
das offene das helle das weite

innen aber wartete das wesen
das tiefe das dunkle das alte

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 111

wie dankbar sie waren
für diesen mythos aus stein
auf diesem kegel aus fels
in dieser an komplexität
so krankenden zeit

 

pics & words: © paulson 

 

 

 

burg 110

schon bald nach ihrer geburt
stand sie klein und kraftlos
in der ganzen wucht
des maschinenzeitalters

die erbauer waren nicht mehr
und die nachfolger nahmen sie
als eine historistische kopie
achselzuckend zur kenntnis

 

pics & words: © paulson 

 

 

 

burg 109

schon bei ihrer vollendung
war sie als bild vom alten
nicht mehr erwünscht

sie schien im zeitgeist
der dynamischen moderne
schon wieder veraltet

heute würde man sagen
die mittelalterromantik
war da schon wieder out

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 108

mitten in die phase der umgestaltung
fast sämtlicher gesellschaftsbereiche
erschuf der romantische könig
ein zeichen des unvergänglichen
ein traumbild gegen den zeitgeist
maschineller sachlichkeit

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 107

wie sehr sich der sapiens
die erde untertan gemacht hatte
sah man in allen lebensbereichen

bald schon würden geisterbusse
die besucher nach oben bringen
ein maschinenritter würde sie dort
mit leuchtendem schwert empfangen
durch die heiligen hallen führen
und die ausgehungerten herzen
mit sagenhaften geschichten füttern
zum abschluss des burgbesuchs
würde es ein mittelalterkonzert
mit geklonten musikern geben
und der alte fritz würde dann noch
mit einer abgefahrenen 5d-animation
flötend von himmelwärts einschweben
um die beglückten zu verabschieden

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 106

die wahren dinge im leben
waren dinge die keine dinge waren

zeit für sich musik und poesie
liebe freundschaft achtsamkeit
das meer der himmel die tiere
ein blick ein lächeln ein burgbesuch

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 105

dass sie so alt aussah
zog die leute auf die burg

oben erfuhr man dann
dass sie erst ein teenie war

mit einem großen stammbaum

immerhin

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 104

die ganze welt war auf der suche
nach einem impfstoff gegen das virus

auch die burg war seit langem ein gegenmittel
wirkte entschleunigend gegen rastlosigkeit
eine seuche der so genannten modernen zeit

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 103

wo es höhen gab
gab es auch tiefen

auf dem kegelberg
strebten die turmspitzen
himmlisch nach oben
wer auf dem burgboden blieb
konnte auch die abgründe
unter seinen füßen spüren

der mensch und alles
was er tat und schuf
war immer beides

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 102

es hatte sich schon lange abgezeichnet
dass die feudalen herrschaften
eines tages würden abdanken müssen

nach dem ersten höllenkrieg
und zwanzig millionen toten
war dieser tag dann gekommen
und das volk wurde zum souverän

die burg gehörte bald allen
was auch gut so war
schließlich hatte das volk
den prachtbau errichtet
im schweiße seines angesichts
und ohne angemessenen dank

wenn man so wollte
war die öffnung eine rückgabe

das betreten des märchenbaus
hätte durchaus kostenlos sein dürfen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 101

sie war ein ort der poesie
eine insel der seligen
ein paradies der mythen

die phantasten
unter den besuchern
durchwandelten sie
mit märchengesichtern

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 100

still und ernst und schön
stand sie im lauten land
und hoffte dass bald
wieder ein meer käme

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 99

inmitten einer welt im jugendrausch
stand sie und machte auf alt

dennoch war sie begehrt

das war klar gegen den trend

sie war eben besonders

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 98

ein wenig war es
wie in einem science fiction film
der im mittelalter spielte

die drohnen kamen über sie
wie ein insektenschwarm
und machten die schönsten bilder

da verbot man sie aus sicherheitsgründen

 

pics & words: © paulson 

 

burg 97

man muss nicht weit fahren
um in die ferne zu reisen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 96

die in der aufklärung
vom metaphysischen trost befreiten
waren dennoch immer auf der suche
nach dem unvernünftigen

weil menschsein mehr war
als reine berechenbarkeit
das erfuhren sie doch tagtäglich
im fürchten im sehnen im lieben

es war gewiss nicht der verstand
der sie hier auf den berg brachte

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 95

der burgbesuch
ein sich gehenlassen
ein freigang vom alltag

 

pics &words: ©paulson

 

 

burg 94

die menschen passten alles
ihren erwartungen und vorstellungen an
und fanden so ihre jeweils eigene burg

wenn sie bei den führungen
genaue beschreibungen erhielten
verstand jeder etwas anderes

wenn sie nach dem besuch
über das erlebte sprachen
meinten sie grundverschiedenes

und selbst auf den fotografien
die sie von ihr gemacht hatten
sahen sie nie dasselbe bild

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 93

im schier unendlichen zauberland
einer welt
als wille und vorstellung
entstanden unzählige burgen
in den köpfen der menschen

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 92



ob es burggespenster gab hing stark davon ab

wie es in den köpfen der sterblichen spukte

das galt auch für alle anderen Gespenster

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 91

sie war ein ruhepunkt im weltgewühl
im zauberland ein märchenbau
ein seelenort ein sehnsuchtsziel

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 90

materiell ging es ihnen
um so viel besser als früher
sie lebten auf einem höheren niveau
und genossen ein längeres dasein

was ihnen dennoch fehlte
wussten sie nicht so genau

jedenfalls waren sie auf der suche

manche zogen burgwärts

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 89

es gab ein naturgesetz dass alles
egal wie es beschaffen war
im großen strom der zeit
von oben nach unten wanderte

die burg und der berg
waren da keine ausnahme

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 88

seit der kosmos sinnlos geworden war
suchten sie in sich selbst nach halt

so mancher wurde dabei zur festung

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 87

die burg hatte auch corona

aber ganz anders

mehr als strahlkraft
mit gold und diamanten und so

 

pics & words: ©paulson

 

burg 86

es war ihm zu ohren gekommen
es gäbe da auf der burg geheime winkel
die offenbar noch nicht digitalisiert
und von big google kartiert worden waren

wenn es so etwas tatsächlich noch gab
dann – so beschloss er eines schönen tages
würde er alles mögliche dafür tun
diese geheimen winkel zu entdecken

natürlich würde er – sollte er sie aufspüren
keinem menschen das geheimnis verraten

er plante sich abends einschließen zu lassen
um in der nacht auf die suche zu gehen

sollte er tatsächlich fündig werden
würde er sich himmlisch frei fühlen
und unendlich glücklich sein
dort in seinem toten winkel
still und mit schlagendem herzen

in einer welt jenseits der zahlen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 85

sie litten an vergangenheitssehnsucht
weil sie sich aus gutem grund
vor der zukunft fürchteten

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 84

 

in krisenzeiten führten sie vor
wie wichtig es war burgen zu bauen

wenn gefahren am horizont auftauchten
wurden die so selbstbestimmten
zum spielball der eigenen biologie

die freiheit schlug sich in die büsche
die vernunft war über alle berge
und der verstand wurde zum werkzeug
fürs nackte überleben

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 83

manche fortschrittliche
hielten die besucher
für vergangenheitsselige

was sie im grunde auch waren
aber nicht im sinne von ewiggestrigen

sie kamen vielmehr auf dem berg zur ruhe
dort in der nähe eines uralten geheimnisses
für welches die in die zukunft eilenden
keine sensoren besaßen             

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 82

begreiflicherweise
war dieser nachbau
einer mittelalterburg
weit davon entfernt
systemrelevant zu sein

da gab es nicht einmal
den hauch eines zweifels

so blieb sie unbesucht
und war ihnen doch
bei jedem blick hinauf
ein halt in schwerer zeit

 

pics & words: © paulson 

 

burg 81

gemessen an den anderen prachtbauten
welche die preußen hatten errichten lassen
erschien diese burg eher unbedeutend

zweierlei aber machte sie dann doch einmalig

nur von hier stammten die hohenzollern
und keines der anderen bauwerke
war dem himmel näher als sie

immerhin

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 80

wie ein träges riesenrad
drehte die zeit alles vorwärts

verlassen stand sie da
in den tagen des virus
im jahre zwanzigzwanzig

nur ein gelber bolide
mit stuttgarter nummer
fuhr ein wenig amok
in ihren wäldern

dann war wieder ruh

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 79

 

so manch einer
erlangte die freiheit erst
wenn er sich wegschloss
vom wahnsinn der welt

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 78

sie war ein märchen aus stein
geboren als ein traum von sterblichen

unecht zwecklos vorgestrig
und überragend schön

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 77

 

mitten hinein in die gründerzeit
der anbrechenden moderne
setzte der preußenkönig
ein zeichen des alten

ihre vollendung erlebte
der militärisch unbegabte
romantiker auf dem thron
dann aber nicht mehr

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 76

burgenartig
verteidigte der mensch
seine heilenden mythen
gegen alle vernunft der welt

 

pics & words: © paulson

 

burg 75

der ins mittelalter gesetzte stolz
der preußischen bauherren
war auch ein heimweh
nach der eigenen vergangenheit
nach einer versunkenen welt
voller rätsel und geheimnisse
über welche die fluten der zeit
gleichgültig hinweggezogen waren

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 74

die verklärung des mittelalters
war eine beliebte beschäftigung
des sogenannten modernen menschen
hexenwahn und co wurden dabei
unter den historischen teppich gekehrt

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 73

es waren sonnige und kalte ostwindtage
im märz des jahres zweitausendundzwanzig
als sie verlassen und verwunschen schön
unter dem tiefblauen himmel stand
in der ernsten ruhe vor dem sturm 
der ihnen vorhergesagt worden war
als rasche verbreitung einer pandemie

und keiner wusste was da kommen würde

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 72

welch gewaltiger baum
wuchs aus diesem samen

seine äste bedeckten am ende
das gesamte deutsche land

dann fällte ihn
mit einem schlag
die axt der geschichte

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 71

stillhalten zu müssen
war eine gewaltige aufgabe
für den sapiens perpetuum mobilis
in den lockdown corona times

einer versuchte es allen ernstes
mit einem ironman triathlon
in den eigenen vier wänden
unnötig eigentlich zu erwähnen
dass er die quälerei lustvoll durchstand

aus solch hartem holz waren wohl auch
die vom burgberg stammenden preußischen anführer
sonst hätten sie sich nicht so lange dort oben gehalten

da wird wieder der horror vacui am werk gewesen sein
die angst vor dem bedeutungsverlust eigener größe
schlimmer noch – vor dem ende des eigenen seins

stillhalten – das konnte die burg am allerbesten
sogar noch besser als ein baum

und das wollte was heißen

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 70

in vernunftschwangeren zeiten
waren seelengeburten angesagt

verschwörungen geheimbünde
märchen und mythen aller art

burgen gehörten auch dazu

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 69

schön stand sie im neuen morgen
zum ersten mal seit langer zeit
vom pilgerschwarm befreit

ein paar handwerker
machten ihre arbeit
und der burgmeister
fühlte sich wie ein könig

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 68

in den zeiten der pandemie war bestens zu beobachten
wie sich die idee von solidarität sofort in luft auflöste
wie sich staaten reflexartig in bollwerke verwandelten

fremde wurden dann als viren betrachtet

tief aus dem inneren kam da die botschaft
dass es eine frage des überlebens sei
weil das leben eine sache des sterbens war

in den guten zeiten hatten sie das glatt vergessen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 67

als die krone der schöpfung
noch drei ewigkeiten lang
in der ursuppe schwamm
und der erweckung harrte
da gab es schon den berg
wo der erwählte stamm
millionen mütter später
seine reise begann

sie rockten die geschicke
wie keine andere sippe
und vergingen dann
einfach so irgendwann

die feste aber stand
noch eine weile im land
bevor auch sie und alles
für immer verschwand

 

pics & words: © paulson 

 

burg 66

so stand sie im kometensturm
sehr klein und recht verloren
dort unterm hohen himmelszelt
wo all die sehnsuchtsengel flogen
mit laptops und mit badehosen
schneller als kanonenkugeln
in ihre teure sehnsuchtswelt

 

pics & words: © paulson 

 

burg 65

sie war balsam für jene
die mit roten bildschirmaugen
abends zu ihr emporblickten

 

pics & words: © paulson

 

burg 64

wenn der vollmond
aus den türmen
in den himmel stieg
glaubten seine kinderaugen
wieder an den lieben gott

man war nie ganz davor gefeit
dem zauber zu erliegen

 

pics & words: © paulson 

 

burg 63

sie weckte die fantasie
und das war gut so
in einer zeit der algorithmen
wo das rechnende denken
den poetischen geist
zu beseitigen drohte

 

pics & words: © paulson

 

burg 62

es gab da eine sehnsucht
der im komplexen gefangenen
nach dem überschaubaren

diese einfachheit fanden sie
in einem bild von einst

die burg dort auf dem berg
erzeugte  eine ergriffenheit
die gefühl und halt vermittelte

scheinbar befand sich im fundus
des kollektiven gedächtnisses
auch der mythus einer burg

burg berg erhabenheit

der zusammenhang war primitiv
und eben deshalb so mächtig

 

pics & words: © paulson 

 

burg 61

vielleicht war’s ja übertrieben
es eine liebesbeziehung zu nennen

aber in die richtung ging es schon

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 60

das zeitalter der burgen
war gewiss keine fabelwelt

eher das genaue gegenteil

die menschen froren
hatten angst vor feinden
und starben in den dreißigern
es gab noch kein smart home
nicht einmal das smart phone
und dennoch wurde dieses schlimme leben
von den nachgeborenen nachhaltig verklärt

möglicherweise lag es ja daran
dass die durch den tag gehetzten
die alten um die langeweile beneideten
um die stille und die dunkelheit
um das summen der fluginsekten
und den tiefblauen himmel über ihnen

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 59

auf der suche nach dem seelenheil
findet der mensch die mystik

im gefühlsraum des sterblichen
kommt es dabei zu allerlei erleuchtungen

immer wieder mit von der partie
ist auch die sagenhafte erzählung
von der heilenden wiederkehr des alten

auf einer corona-demo forderte neulich
ein gar nicht mal so betagter mensch
lautstark und halb flehend die rückkehr
des deutschen kaisers als ablösung
für die brd und das verbrecherpack
georg friedrich von preußen daselbst
solle doch bitte den thron besteigen

man möchte den armen mann
einen burgbesuch verschreiben
zu einem zeitpunkt da sein thronfolger
wenigstens hin und wieder den berg besteigt

dann weht die preußenfahne heilsam
über dem gebeutelten teutschen land
und für eine kurze zeit wenigstens
ist dann wieder alles gut

 

pics & words: © paulson 

 

burg 58

jene die nach oben schwärmten
hatten offenbar lust
auf die erotik des dahinter

was würde sie wohl erwarten
hinter den märchenmauern

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 57

die burg baute ihm eine brücke
zwischen natur kunst und technik

in allen drei welten
war der mensch zu hause
und zugleich ein fremder

 

pics & words: © paulson 

 

burg 56

die burg an sich
war nicht märchenhaft

erst die vorstellung
machte sie dazu

 

pics & words: © paulson 

 

burg 55

der feind war unsichtbar
seit monaten belagerte er die burg
der erste lockdown seit jahrhunderten
doch in der ferne kam ein licht in sicht

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 54

dornröschenschlaf

ein wenig war es wie im märchen
als hätte einer alles ausgeknipst

der entmachtete prinz von preußen
wollte gerade seine sophie küssen
als alles stehen blieb
der flaschnermeister verharrte
kurz unterhalb der dachrinne
während sein senior die leiter hielt
und die oberste burgangestellte
kam auf dem weg zu einer besorgung
hinter der dritten serpentine zum stillstand

natürlich hofften nun alle
auf den erlösenden prinzenkuss

blöd nur dass der selber dumm rumstand

 

pics & words: © paulson 

 

 

 

burg 53

wie sie so stand im coronafrühling
am morgen im mai im frischen grün
da fiel ihm wieder ein
was die burgverwalterin
einmal gesagt hatte

sie trage jeden tag ein neues kleid
sei anmutig wie eine schöne frau

so in der art

tatsächlich war sie atemberaubend
anmutig und wunderschön

und wie jede schöne frau
war sie botin zwischen erde und himmel

 

pics & words: © paulson / music: youtube artists

 

 

Burg 52

sie können alles
sie wissen alles
sie sehen alles ganz klar
nur dieser berg
ist ihnen noch wunderbar

 

pics & words: © paulson 

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burg 51

 

deutsche burg
deutsche geschichte
gemischte gefühle
fürs auge schön

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 50

das betriebsgeheimnis der zollernburg

die träume und sehnsüchte
der besucher zu bedienen
sie abzuholen an der schwelle
zwischen welt und traum

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 49

war es denkbar
dass der mensch
überhaupt nur
durch das bauen
von illusionen
am leben blieb

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 48

natürlich manipulierten sich die sterblichen
wenn sie sich ins warme seelenbad
der märchen und mythen hineinbegaben

was aber sonst hätten sie tun sollen
auf ihrer reise durchs leben
als schöne momente zu sammeln

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 47

man sah den besuchern an
ob sie im außen blieben
oder ob tief im inneren
etwas mit ihnen geschah

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 46

die hohenzollern
haben die teutschen lande gerockt
wie kaum eine andere band

der bau auf dem monte solaris
war eine ihrer besten produktionen

der abgang verlief dann weniger schön

eine revival tour ist nicht zu erwarten

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 45

ein wenig war sie
wie weihnachten

man feierte sie
und ließ sich berühren
wusste aber nicht so recht
woher sie eigentlich kam

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 44

für manche
war der ausblick vom berg das erhabenste

die burg
hätte es da gar nicht gebraucht

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 43

schon immer wohl
hatte es artgenossen gegeben
die gleicher waren als die anderen
sie nahmen sich mehr und mehr heraus
und wurden fürsten könige und kaiser

das lag in der natur der sache

 

pics & words: © paulson 

 

 

 

burg 42

vielleicht war der gedanke
ja etwas bizarr

ein krasserer gegensatz
war kaum vorstellbar

und doch schien es ihm so
– der gedanke stimmte auch anders herum –

als hätte calvin russel ohne weiteres
auch ein preußenkönig sein können

unter anderen umständen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 41

 

die vormals elitäre gipfelburg
war ein ort des tourismus geworden

man brauchte den obulus der massen
um sie vor dem zerbröseln zu bewahren

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 40

wer hier eintrat
ließ alles hinter sich
und das erste was er tat

er zog sein phone aus der tasche
und machte ein selfie
oder drei

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 39

es war ein abwarten
ein stillhalten
ein fortbleiben

es war wie ein träumen
am hellichten tag

und dann auch noch sie
so traulich verwunschen
mit türmen so vielen
die himmelwärts wuchsen
wo sterbliche fuhren
auf seltsamen bahnen
die seele zu suchen

da war so viel friede
da war keine wut
da war keine furcht
und alles war gut

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 38

manche schienen wie burgen

stolz stark uneinnehmbar

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 37

wer im nahbereich herumtüftelte
und dafür war der schwabe berühmt
der übersah manchmal das erhabene

die schwäbin neigte da schon
eine spur mehr zum sentimentalen
zuweilen konnte man sie gar
bei einer sternschnuppennacht
im burghof beobachten

was sie sich so wünschte
und was sie so dachte

beim anblick der schnuppe
war ihr schönstes geheimnis
und ging keinen was an

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 36

magie und magnetismus der burg
hatten ihre wirkung auf die menschen
und zogen sie in ihren bann

warum das so war
blieb ein geheimnis

 

 

pics & words: © paulson 

 

burg 35

wenn die hart arbeitenden
globalisierten smartphone user
die burgtore durchschritten
dann prallten welten aufeinander

weil aber alles in allen war
fanden sie schnell zueinander

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 34

wenn sie so glänzte
in den mondenen nächten
dann waren menschentiere
in den wäldern auf der suche
nach seelenfutter

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 33

stürme eisregen sommerhitze
so stand sie in wetter und wind
und immer drohte ein beben

der tägliche ansturm der massen
war da noch das kleinste problem

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 32

im zeitalter von nützlichkeit effizienz und beschleunigung
war diese sentimentale burg ein wirksames gegengift

sinnlos geheimnisvoll und zeitlos schön
ruhte sie gelassen über dem getümmel

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 31

sie war in dem sinne uralt und echt
als sie einen wesenszug
im menschen zutage förderte
der tief in ihm hauste

die sehnsucht nach dem verlorenen
und die traumartige suche danach

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 30

das herrschende adelsgeschlecht
hatte aus den ruinen der zweiten
ein kunstwerk machen lassen

die eigene größe zu zementieren

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 29

sommertag im april
das land im coronagriff
die leute lernen anstehen
einer nach dem anderen
immer ordentlich abstand
und schön die klappe halten
die bäckereifachverkäuferin
holt und hält die backsachen
mit gummihandschuhcoronafingern
und fasst damit auch die münzen an

oben am waldrand sperre
eichenprozessionsspinner
weiter vorne tollwutgefahr
die pistazienverpackung warnt
kann spuren von erdnüssen enthalten
erstickungstod durch allergieschock

außerdem im angebot
schweinepest-überfall

tödlicher zeckenbiss
vulkanausbruch erdbeben
tsunami
flugzeugabsturz
atomkrieg meteoriteneinschlag

ich sehe wie sich meine hand
an der pistazientüte festkrallt

versuche mich zu entspannen
was mir aber nicht gelingt

dabei weiß ich doch schon lange

das leben ist eines der gefährlichsten

immerhin steht der albtrauf
noch harmlos im mittagslicht
und die burg prachtet herüber
als wäre alles paletti

dann entkrampft sich die hand

und ich sage
du bist die schönste im ganzen land

 

pics & words: © paulson 

 

burg 28

einmal war ein neuer historikerstreit ausgebrochen
die hohenzollern forderten alten besitz zurück
und so mancher im volk tobte vor empörung

doch die meisten blieben gleichgültig
steckten tief in arbeit spiel und sorge

ob der kronprinz wilhelm dem braunen terror
nun vorschub geleistet hatte oder nicht
dazu lagen vier gutachten auf dem tisch
von denen zwei die frage mit einem ja
die beiden anderen mit nein beantworteten

man konnte es sich aussuchen
und hatte auf jeden fall recht
wobei es bei der sache
mehr um moral ging

indes ruhte der stammsitz
unbeeindruckt luftig und schön
auf dem uralten zeugenberg
und dachte sich seinen teil

geschichte war ganz schön kompliziert
sie zu verstehen gar nicht einfach

da war es doch dankbarer
einfach nur ein teil davon zu sein

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 27

tröstlich
so ein blick
auf das alte
in einer moderne
wo alles sich drehte
und nichts mehr bestand

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 26

auch ohne die burg wäre dieser berg
ein herausragendes denkmal

eine landmarke
ein aussichtspunkt
ein sehnsuchtsort

nur eine million mal älter

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 25

die burg und die menschen
hatten etwas gemeinsam

beide waren sie vergänglich
und selbst der uralte berg
auf dem die Feste stand
bröselte so vor sich hin

alles war eine frage der zeit
und in ihr lebten liebten
und sangen sie
so schön sie konnten

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 24

burgen und andere mythen

die rationalisierung der arbeit
führte ganz automatisch
zur romantisierung des privaten

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 23

die türme ragten in den himmel
wie die erektionen jener
die gerne noch viel länger
an der macht geblieben wären

doch die welt drehte sich weiter
und die stolze feste
wurde vollends zum museum

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 22

ganz nüchtern konnten die bauherren nicht gewesen sein
als sie den mittelalterlichen prachtbau in auftrag gaben

später durften sich alle ein wenig an ihr berauschen

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 21

von unten schien sie
dem himmel zuzustreben
wenn er sie aber betrat
befiel ihn ein gefühl von enge

 

pics & words: © paulson 

 

burg 20

aus dem stein der erde gehauen
hoch in den himmel gemauert
mit legenden geschmückt
stand sie prächtig in wetter und wind

 

pics & words: © paulson

 

burg 19

der burgberg war ein mystischer ort
ein brutgebiet für sehnsuchtsvögel
die von weit her geflogen kamen
sich mit dem erhabenen zu paaren

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 18

die burg hatte viele freunde

sie kamen wegen des bauwerks
oder bestaunten die aussicht

andere studierten die geschichte
beschauten gold und geschmeide

manche standen und spürten
was dort mit ihnen geschah

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 17

eine göttliche stille lag über dem land
der himmel gehörte seit langem
mal wieder den vögeln
ab und zu rollte ein auto
über die verlassene dorfstraße
und drüben auf der vierspurigen
brummte ein klopapierlastkraftwagen
den geplünderten regalen entgegen

er genoss die dornröschenschlafstille
es war ihm feierlich zumute
wie früher an heiligabend
endlich hatten die menschen
wieder einmal zeit füreinander
und für jenes das sie tun wollten
aber immerzu verschieben mussten
weil sie dafür keine muße fanden
die allermeisten von ihnen
waren in der plötzlichen ruhe
aber einfach nur erschlagen
fuhren runter und warteten ab

doch der frieden war trügerisch
die lage war ernst
das virus hatte binnen tagen
fast das gesamte land lahmgelegt
zwangsentschleunigung
und hausquarantäne für jene
die nicht in systemkritischen
bereichen gebraucht wurden
die meisten kooperierten
und nur noch wenige glaubten
es könnte alles so bleiben wie immer
vieles von dem was freude bereitete
war nun entweder verboten
oder fand nicht mehr statt
die medien berichteten pausenlos
und selbst die nachrichtenprofis
sprachen mit besorgten gesichtern

im netz nervten die üblichen schaumschläger
mit ihren abstrusen lügengeschichten
und die zynischen apokalyptiker aller länder
befanden sich im dauerglückstaumel
während sich andere bis zum umfallen
für die gemeinschaft aufopferten
aus sporthallen wurden notkliniken
textilfirmen produzierten schutzkleidung
die menschen hielten zusammen
wie sonst nur in kriegszeiten

solidarität und menschlichkeit
waren nun die zauberformeln
gegen den unsichtbaren feind

während sich die einzelnen mitglieder
der europäischen nationalstaaten-union
in abschottung übten und alles bunkerten
was in der krise von nutzen sein konnte

klimawandel tier- und naturzerstörung
flüchtlingskrisen und fremdenwahn
sie waren jetzt keine themen mehr
überhaupt schien all das
was vorher wichtig war
vollkommen bedeutungslos
das virus angst hatte nun alle befallen
ganz europa befand sich im stillstand
und bald würde es die ganze welt sein

auch die burg hatte ihre tore geschlossen
heiligabend war der einzige tag im jahr
an dem sie zu hatte
normalerweise
und nun das
fünf wochen
vorerst

mit großen augen stand er am fenster
und langsam wurde es abend
dann verschwand sie in der nacht

aber am nächsten morgen
würde sie
wieder da sein
schön wie immer

auf ihrem berg
dem mons solaris
für ihn und alle

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 16

während die schwächsten
ums nackte überleben kämpften
feierten die asozialen unsterblichen
leckt-mich-am-arsch-corona-parties

ein wenig war es wie im absolutismus

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 15

es war gut dass sie da war
so schön so sicher so stark
als die sterblichen sich sorgten

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 14

die phantasie schaffte fast alles

einen wunsch machte sie zur sehnsucht
und diese brachte sie zum erleben

und das vor sich hin bröselnde gemäuer
verwandelte sie ohne weiteres
in ein sinnbild für ewigkeit

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 13

wer in ihrer nähe
groß geworden war

konnte gar nicht anders
als ihr ein leben lang
treu zu bleiben

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 12

so manche illusion
war aus der sehnsucht
nach größe geboren

so gesehen erschien die burg
ausgesprochen menschlich

 

pics & words: © paulson 

 

burg 11

was gab es schöneres
im rechnenden Nützlichkeitsdenken
als ein vollkommen nutzloses märchenschloss

 

pics & words: © paulson

 

 

burg 10

dieses monument verkörperte
das gute wahre und schöne
und ihr genaues gegenteil

es war deutscher als deutsch

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 9

das atemberaubende bühnenbild
im großen freilufttheater
zog immer mehr zuschauer an

es war einer jener tage
die man nicht mehr vergisst

ein chinese sagte amazing
ein schwabe meinte incredible

und die protagonistin
schwieg märchenschön
aus dem wattewolkenmeer

 

pics & words: © paulson 

 

 

burg 8

auch wenn manche sie belächelten

der spektakuläre nachbau
löste ein ungeheures sehnen
in den herzen der sterblichen aus

 

pics & words: © paulson

 

burg 7

die romantische verklärung
einer längst vergangenen epoche
im bild der mittelalterlichen burg
war nicht zuletzt ein statement
gegen die entzauberung der welt
in der anbrechenden maschinenzeit

 

pics & words: © paulson 

 

burg 6

schon so manchen hatte die sehnsucht
auf den berg getrieben

und so mancher war ernüchtert
wenn er oben ankam

 

pics & words: © paulson 

 

burg 5

nichts war flüchtiger als der tag
sterblicher nichts als der mensch

drum bauten sie burgen
damit sie die zeit überstehen

 

pics & words: © paulson 

 

burg 4

was geschieht dir oh seele
wenn es warm wird ums herz
beim blick auf den berg

 

pics & words: © paulson

 

burg 3

sie schauten hinüber
und standen und staunten
und schwärmten und schwiegen
wie sie da so schwebte
als traum überm land

 

pics & words: © paulson 

 

burg 2

jeder neue himmel
zauberte eine neue burg auf den berg

 

pics & words: © paulson

 

burg 1

das universum war gleichgültig
aber der mensch schuf bedeutungen

manche waren ansehnlicher als andere

 

pics & words: © paulson