Kleine Lichter


Komme eben von einem Spaziergang durch die verschneite Märchenwelt zurück und hab Lust Euch zu schreiben. Wer immer Ihr auch seid.

Diese Form der Kommunikation hat für mich etwas Geheimnisvolles. Sie ersetzt nicht das Gespräch mit einem Menschen, und sie ist bei mir auch kein blog. Ich nenne die Rubrik ja news, was aber auch nicht so ganz genau stimmt. Heute möchte ich mal wieder ein paar eher philosophische Gedanken mit Euch teilen. Ich lass auf dieser Website keine Diskussionen oder Kommentare zu. Wer mir aber schreiben möchte – danke für so manch interessante Gedanken in der Vergangenheit – der kann das über contact gerne tun. Ich werde auf jeden Fall antworten. Ganz wichtig ist es mir aber, dass wir das hier nicht allzu ernst nehmen. Weder meine Musik noch diese Gedanken sind besonders wichtig. Wer sie schön finden kann, oder irgendwie bereichernd, der hat meine Absicht erkannt.

Schon wieder geht ein Jahr zu Ende, wir haben die Wintersonnenwende erreicht, die Tage werden wieder länger, auch wenn man das noch nicht wirklich spürt. Ich mag den Dezember sehr, sein Licht und seine Luft haben etwas Mystisches und zugleich Beruhigendes. Die Erde erreicht auf ihrem Weg um die Sonne jenen Punkt, der für uns den kürzesten Tag bedeutet. Die Erde ist seit über vier Milliarden Jahren ein Raumschiff auf einer immergleichen Bahn, in einem winzigen Sonnensystem einer mittelgroßen Galaxie in einem unbegreiflichen Universum ohne Grenzen. Im dunklen Monat Dezember fasziniert mich dieser Umstand ganz besonders. Und zugleich wird dann mein eigenes Leben besonders wertvoll und klein. Spaziergänge im Schnee, eine schöne Tasse Tee danach, eine Kerze, ein leckeres Stück Kuchen dazu, eine gute Musik, oder auch einfach mal Stille. Viel mehr brauche ich nicht in dieser Zeit. Ich genieße die freien Wintertage. Und es gibt garantiert keinen Rasenmäherlärm. Wobei es im nächsten Jahr angeblich Schneefräsen bei den Discountern geben soll, für unter hundert Euro. Wir sollten deshalb diesen Winter nochmals ganz besonders genießen. Stille Nacht…noch! Denn die Marketing-Cracks bekommen garantiert alles an den Kunden. Sie haben es ja bereits mit den Tischstaubsaugern und den Laubbläsern geschafft, und sogar mit Rasierschaum und -apparaten für Frauen! Wenn es sich für sie lohnen würde, wären heute sogar Schnauzer wieder in, oder Ringelsocken in Sandalen. Zur Zeit sehe ich Männer mit lila Hemden. Hätte man jetzt auch nicht mehr erwartet. Es soll ja noch Leute geben, die den freien Willen in der Konsumgesellschaft hochhalten. Nun, lassen wir ihnen diesen Glauben!

Natürlich leben wir in einer wunderbaren Zeit. Womöglich waren die Menschen nie reicher, nie gesünder und zufriedener als heute. Ich will unsere Welt auch gar nicht schlecht reden. Aber ist es nicht auch so, dass wir sie eigentlich permanent schön reden? Ist es nicht so, dass es vollkommen out ist, Themen wie Vergänglichkeit, Krankheit oder gar Tod anzusprechen? Unsere Sorgen, Ängste, oder unsere Unzufriedenheit? Wir sagen oft, wir seien im Stress. Was genau bedeutet das eigentlich? Und warum nur stellen wir so wenige Fragen?

Die modernen Glücksritter – regelmäßig und nachhaltig auf den Bestsellerlisten – predigen dieses positive Denken. Sie wollen uns glauben machen, dass nur ein Leben in der unmittelbaren Gegenwart lebenswert sei. Nun, ganz Unrecht haben sie damit sicher nicht. Wer immer an vergangenen Tagen hängenbleibt, wer nur für das zukünftige Glück plant und lebt, der wird in der Tat nicht glücklich sein können. Aber ist es nicht auch so: Der Augenblick ist immer gleich Vergangenheit. Jeden einzelnen Tag wertschätzen, jeden neuen Morgen mit einem Lächeln begrüßen. Das geht schon eher. Das Leben lieben. Die Natur und die Menschen. Wer dieses kann wird andere dabei mitnehmen. Keine Frage, ein Lächeln wirkt ansteckend, und es ist um so viel besser als ständiges Zweifeln. Leichtigkeit, Gelassenheit, Langsamkeit. Stille.

In unserer Gesellschaft erkennen immer mehr Menschen, dass sie mehr sind als Konsumenten und Produzierende. In den Schulen und in den Betrieben werden wir in zunehmendem Maße den Zwecken untergeordnet. Das lassen sich viele nicht mehr gefallen. Weil es unserem Wesen nicht entspricht nur ein Rädchen zu sein. Weil die Sinne verkommen in einer Welt der praktischen Zwecke. Und doch schaffen es viele nicht, dem Räderwerk zu entkommen. Weil sie schlecht behandelt, schlecht bezahlt werden, weil sie entmündigt und entwürdigt werden von den Architekten der neuen Sachlichkeit. Weil ihre Erfahrung, ihre Klugheit und ihr Gefühl gar nicht erst gefragt sind. Wer derart behandelt wird – und wir fallen fast alle unter die Schemata dieser schönen neuen Rechenschieberwelt – der läuft Gefahr, daran zu erkranken. Warum reden die Menschen nicht miteinander? Warum machen so wenige auf die Ungerechtigkeiten und Fehlentwicklungen aufmerksam? Warum gibt es so wenige Proteste gegen die neoliberalen Tendenzen? Warum lassen wir uns das einfach gefallen? Und warum stellen wir bloß so wenige Fragen?

Vielleicht ist eine Erklärung, dass solches Nachdenken, Nachspüren und Nachfragen gar nicht in den Zeitgeist des positiven Denkens passt? Wer in die Medienwelt schaut, der stellt fest, dass es total uncool geworden ist, einen ernsten oder kritischen Gedanken zu fassen. Zumindest in den Mainstream-Sendern wird fast nur noch gelabert und dauergegrinst. Sobald jemand einen ausführlichen Gedanken äußert, wird er abgewürgt, oder es wird ein Witzchen darüber gemacht, oder das ganze Thema wird von Anfang an als Comedy veranstaltet. In den öffentlich-rechtlichen Sendern ist das zwar noch erträglicher als in den privaten, aber die Richtung ist dieselbe. Es werden die immer gleichen Hits und Oldies gespielt, und das Personal labert die immer gleichen Belanglosigkeiten über Wetter, Promis und andere Sensationen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Glücklicherweise gibt es noch eine blühende Presselandschaft, aber wer soll die Zeitungen eigentlich am Leben halten, wenn die nachkommenden Generationen mit so einem Müll aufwachsen, wenn die meisten von ihnen nur noch in den sozialen Netzwerken rumhängen und sich darum sorgen, wie die nächste Frisur aussehen, oder wo es im nächsten Urlaub hingehen soll?

Oder ist alles ganz anders? Gar nicht so schlimm? Besser denn je? Dank Internet? Und wegen des Niedergangs der alten authoritären Systeme: Patriarchat, Nationalismus, Kommunismus, Kirche? Sind die Menschen kritischer, informierter und aufgeklärter denn je? Sind die ideologiebeladenen Alten womöglich viel schlimmer?

Wir Menschen machen ja häufig den Fehler, dass wir die Politiker als eine Art Sündenböcke dafür verantwortlich machen, dass viele Dinge nicht gut laufen. Aber ist es nicht viel eher so, dass sie gar nicht anders können als so zu sein, weil wir gar keine ´Wahrheiten´ hören wollen, und sie sofort wieder abwählen, wenn sie Unbequemes verkünden? Und wer verblödet eigentlich die Medien? Sind es die Medienmacher und die Marketing-Profis, oder sind wir es vielleicht am Ende sogar selbst? Weil wir gar keine Lust und Zeit haben, uns etwas tiefer und sorgfältiger mit uns und der Welt auseinander zu setzen? Wahrscheinlich ist es ein trauriges Wechselspiel. Jedenfalls ist Marketing heute zum wichtigsten Wirtschaftszweig geworden. Wer laut klingelt, wer sich Bekanntheit verschafft, wer ein Produkt wieder und wieder zeigt, den führt dieses System der schnellen Reize auf die Gewinnerstraße, zumindest auf die materielle. Habt Ihr bemerkt, dass inzwischen Werbung im TV wesentlich lauter läuft als der Rest des Programms? Solche Zumutungen bleiben weitgehend ohne Reaktion beim Publikum.

Gibt es eigentlich sowas wie den kritischen Konsumenten? Ich vermute mal, dass sich die meisten eine kritische Einstellung schon deshalb nicht leisten, weil das bei halbwegs konsequenter Durchführung zu empfindlichen Einschnitten am eigenen Lebensstil führen würde. Außerdem erzählt man uns andauernd, dass wir konsumieren sollen, weil das gut sei für Frieden, Freiheit und Wohlstand. Ja, sind Verantwortung und Nachhaltigkeit womöglich nur Phrasen wie die Schönsätze in den Leitbildern, die sich die meisten Firmen und Schulen heute verordnen? Habe neulich im Internet eine Seite gefunden, die es möglich macht, ein Firmen-Leitbild in ganzen zehn Minuten zu erstellen. Na denn…

Könnte es so sein, dass uns das Ego relativ weniger Macher eine Realität verpasst, unter der die meisten von uns eher leiden? Oder sollten wir den Alpha-Tieren dankbar sein, dass sie die Dinge in die Hand nehmen? Wer heute eine Firma leitet hat es sicherlich nicht einfach. Keine Frage. Ist es überhaupt noch möglich, verantwortlich und sozialverträglich zu agieren in einer so produktiven und schnellen Welt? Gerät man in den Rachen des Raubtierkapitalismus, wenn man schläft? Oder ist die Globalisierung nur ein Totschlag-Argument? Führen echte Empathie mit den Mitarbeitern und nachhaltige Prozesse nicht letztlich zu höherer Produktivität? Und dann wieder: Schaufelt sich die Menschheit durch die andauernde Produktivitätssteigerung nicht ihr eigenes Grab? Sollte es nicht letztlich darum gehen, dass wir alle deutlich bescheider zu leben lernen? Damit wir weniger Schulden machen, um mit den Armen dieser Welt zu teilen, um Ressourcen zu sparen, um Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, und somit unsere natürlichen Lebensgrundlagen? Haben nur die Menschen in der sog. Ersten Welt Anspruch auf Würde, nicht aber die in der sog. Dritten Welt, und wie ist es mit denTiere, der Natur? Haben sie keine Würde? Sind wir wirklich so blind, so egoistisch, so gleichgültig? Sagt, sind diese Fragen naiv? Oder ist unser Lebensstil naiv? Man wird von vielen schnell als Gutmensch, Moralapostel oder Weltverbesserer abgestempelt, wenn man sie stellt. Im grunde wird man belächelt. Eigentlich ziemlich pervers, aber so sind die Zeiten! Es regieren vor allem zwei Faktore: Spaß und Materialismus. Wir nennen sie aber lieber Individualismus und Wohlstand. Damit lässt sich besser leben. Zum positiven Denken gehört wohl auch eine ordentliche Portion Ignoranz. Hauptsache uns geht´s gut!

Es gibt so viele wichtige und interessante Fragen, doch wir hören fast immer nur Antworten. Und ich glaube in der Tat, dass die allermeisten Menschen in Verantwortung die ´Wahrheit´ bewusst verbiegen, um selbst in einem guten Licht dazustehen. Irgendwie ist es ein Teufelskreis. Siehe weiter oben, alles soll eben positiv sein. Ich glaube, die Menschheit wird mit einem Grinsen untergehen, wenn wir da nicht rauskommen.

Kluge Entscheidungen und nachhaltige Entwicklungen brauchen Ehrlichkeit, Offenheit, Verantwortung, und Respekt füreinander. In unserer Welt regiert vor allem das Finanzkapital. Doch wir brauchen auch Gefühls- und Moralkapital. Warum thematisiert das eigentlich kaum jemand? Richtig, weil die Gesellschaft beschlossen hat, dass es uncool ist. Man kann eine solche Entwicklung nur als dumm bezeichnen. Mag sein, dass es viel mehr kluge Verantwortungsträger gibt, als ich das hier vermute. Doch momentan sehe ich das wieder eher düster.

Noch einmal zurück zum positiven Denken, und zum Leben in der Gegenwart. Die Menschen nehmen solch einfache Ratschläge meist gerne auf. Weil sie gut klingen und weil sie Glück versprechen. Dass es meist die Bedingungen in Betrieb und Gesellschaft sind, die sie unglücklich sein lassen, die Anforderungen an sie und die Ansprüche an sich selbst, das übersehen die meisten Menschen. Und so laufen sie den Esoterik-Gurus oder den Religionen nach, oder weiß der Geier wem. Sie ziehen dann für sich das Beste heraus, es entsteht eine private patchwork-Philosophie des Leb- und Machbaren, und das ist natürlich irgendwie verständlich. Aber die Lebens-Zusammenhänge sind zumeist viel komplexer. Mag sein, dass es besser ist, diese Komplexität erst gar nicht zu verstehen, doch letztlich ist der Mensch und sein Glück doch ein Ergebnis von vielen Tatsachen und Zusammenhängen. Man kann das Falsche und das Schwierige, das Grausame und das Perverse sicherlich ignorieren. Aber irgendwie ist es dann doch eine Flucht vor dem realen Leben. Wer sich die persönliche Erleuchtung verspricht, der wird es womöglich schaffen, tatsächlich einen Weg aus seinem Stress zu  finden, aus seinen Ängsten, aus den Schwierigkeiten seines Lebens. Aber Religion, Spiritualität und Konsum sind immer auch Manipulation. Sich mit Vernunft und Herz dem Leben zu stellen finde ich den besseren Weg. Ein ausschließliches Leben im Moment gibt es nicht. Schon allein deshalb, weil jeder Mensch eine Geschichte hat, zu welcher Erinnerungen, schöne, aber auch solche mit Weh, einfach dazugehören. Und weil er ein lernfähiges Wesen ist, das aus seiner Geschichte Schlüsse für sein weiteres Leben zieht. Nach vorne zu schauen macht ebenso viel Sinn wie der Blick in die Zukunft mit ihren Plänen und Wünschen und Träumen. Wer seine Erinnerungen und  Erfahrungen und seine Wünsche und Träume mit sich trägt, der macht ganz gewiss keinen Fehler, er wird ein kompletterer Mensch sein. Wer das Leben mit Respekt und Demut, mit Liebe und Lust angeht, und natürlich mit Gelassenheit und Humor, der wird sich reicher nennen dürfen, wenn er alle Zeitebenen, die Vergangenheit, die relative Gegenwart und die Zukunft in sein Leben miteinbezieht.

Auch jedes Stück Kunst ist ein Stück Vergangenheit. Ob ich mir einen Song anhöre. ein Bild anschaue, ein Theaterstück genieße. Der Genuß vergeht unmittelbar, mit jeder Sekunde, und es ist auch immer ein Stück Vergangenheit eines kunstschaffenden Menschen, das ich da genieße. Und genauso kann ich mir ein Gefühl herholen, einen Geruch, eine Erfahrung, eine Erinnerung. Sie alle nicht mehr sehen zu wollen wäre eine schlimme Beschneidung des Menschseins.

Wir leben in einem Zeitalter der ungeheuren Ansprüche. Ich glaube, wir vergessen heute viel zu oft, dass wir Menschen sind, keine Götter. Dass wir schwach sein können und dürfen, und unvernünftig, dass wir Angst haben dürfen, und dass wir nicht immer glücklich und gesund sein können. Und dass wir nicht alles können und dürfen. In unseren Köpfen entsteht aufgrund der Religion des Positiven Denkens ein Bild von uns und von anderen, dem wir niemals gerecht werden können. Wir sollten uns nicht andauernd hinter einer lächelnden Maske verstecken. Was nicht heißen soll, dass wir den Menschen nicht mit Respekt und Zuneigung und mit einem offenen Lächeln begegnen sollten.

Ein weiteres wichtiges Thema ist für mich der große Aktionismus, den viele heute an den Tag legen. Andauernd muss was gehen, ohne action ist das Leben scheinbar langweilig, und die meisten erzählen inzwischen andauernd, was für eine gute Zeit sie überall hatten. Egal ob sie stundenlang am Flughafen gewartet haben, oder ob es dröhnend laut oder erstickend eng war beim Konzert, das Fazit muss immer lauten: We had such a good time!. Dieser Blödsinn kam in den 90ern genau wie etwa die Ganzkörperrasur aus den Vereinigten Staaten von Amerika zu uns. Natürlich haben wir uns alle inzwischen an die Achselrasur und an das Noch einen schönen Tag an der Supermarktkasse gewöhnt. Und wehe einer hat sie nicht, die Rasur, wehe die Kassiererin entlässt uns ohne das Sprüchlein… ja, so funktioniert Marketing!

Aber natürlich sind wir alle Individualisten. Das glauben wir jedenfalls. Osho sagt, man solle seine Persönlichkeit ablegen und seine Individualität entdecken. Wobei er mit Persönlichkeit all das meint, was uns die Gesellschaft an Erziehung und Prägung verabreicht hat. Sich selbst zu entdecken, sich selbst zu erkennen, seine Talente und Neigungen und Vorlieben, das nennt er Individualität. Ich finde das eine schöne Idee, ehrlich gesagt. Die Persönlichkeit ablegen… Wenn man bedenkt, dass in den Schullehrplänen andauernd davon die Rede ist, eine solche zu entwickeln! Der gute Osho war ein anarchischer Provokateur, glaube ich, ein Schlitzohr vor dem Herrn. Aber er hat auch vielen im Westen die Augen für eine andere Sichtweise geöffnet. In seiner Philosophie ging es nicht nur darum, das Selbst zu entdecken, man sollte es am besten gleich ganz ablegen, zumindest zeitweise. Auch das ist sicherlich ein interessantes Experiment mit sich selbst, zu spüren, dass man Teil eines größeren Ganzen ist. Und doch ist das letztlich wohl ein ziemlicher Blödsinn, weil der Mensch eben auch ein abgeschlossenes System ist, und das einzige was man im Grunde hat, ist doch sich selbst. Sich weniger wichtig nehmen, das fände ich den richtigen Weg, seine Stellung in der Welt erkennen, seine Spiritualität jenseits der diktatorischen Religionen und der Kirchen entdecken. Den Blick auf sich selbst schaffen. Letztlich geht es für mich darum anzuerkennen, dass wir keine Antworten auf die großen Fragen des Lebens finden werden, dass wir lernen in diesem Leben zufrieden zu sein. Uns sind Verstand und Gefühl und Lebenszeit gegeben. Sie sind ein großartiges Geschenk. Und sollte es mehr geben, danach, dann werden wir das ja wohl mitbekommen, zu gegebener Zeit, nicht wahr? Ich wär gern mal ein Engel. Oder eine Wolke. Oder Sternenstaub.

Für ein zufriedenes und aufgeklärtes menschliches Wesen wird es zunächst einmal wichtig sein zu erkennen, in welchen Systemen und unter welchen Bedingungen man aufgewachsen ist, in welchen äußeren Rahmen man hineingeboren wurde. Natürlich wären wir unter anderen Bedingungen völlig andere Menschen geworden, trotz unserer uralten genetischen Mitgift.

Neben der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wäre für ein gutes Leben vor allem der Blick auf sich selbst vonnöten. Eine Art Außen-Blick auf sich selbst. Macht einmal dieses Experiment und betrachtet Euch mit den wachen  Augen eines anderen. Es ist gut, wenn man sozusagen von außen sieht, wie man sich in Gruppen verhält, ob man eher viel redet oder eher zuhört, was einen wirklich froh macht, was einen eher drückt, wie man sich in Konfliktsituationen verhält. Ob man etwa zuviel Druck erzeugt, zu leicht nachgibt, sich andauernd von anderen beeinflussen lässt, und so weiter. Es ist aber vor allem interessant, das still dasitzende Ich einmal zu betrachten. Was ist das für ein Mensch? Was treibt ihn um? Was macht ihn glücklich? Man wird plötzlich kleiner, stiller, weniger wichtig, wenn man sich so dasitzen sieht mit seinen kleinengroßen Sorgen und Eigenheiten.

Menschen sind unterschiedlich willensstark. Sie erzeugen in ihrem Kopf-Kino eine Vorstellung davon wie es sein sollte, und dann gehen sie mit ungeheurem Elan ans Werk. Sie wundern sich dann oft, weshalb die anderen das einfach nicht kapieren, wo das Bild doch so eindeutig ist. Das Problem dabei: eben nur im eigenen Kopf! Chefs sind manchmal so, und missionarisch veranlagte Menschen. Aber auch in Beziehungen ist das häufig ein Problem. Sie scheitern nicht zuletzt an den Erwartungen aneinander, und an der Art und Weise, wie diese Erwartungen durchgesetzt werden. Und jeder denkt, dass er es doch nur gut meint. Natürlich! In Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ wird die Vernunft als grundlegendes Prinzip des Zusammenlebens abgelehnt. Ich denke, der Mann hatte Recht. Unser Verhalten wird wohl im Großen und Ganzen von den Gefühlen, vom Unbewussten, und von den tausenden von Generationen, die in jedem von uns stecken, maßgeblich bestimmt. Wobei einige meiner vorigen Gedanken hiermit wohl wieder mal ab absurdum geführt wären, wenn das noch Deutsch war. Oder ist alles doch nochmal ganz anders? Ganz bestimmt, womöglich… Wer will schon Wahrheiten verbraten? Ist ja auch uncool heutzutage.

Jedenfalls glaube ich, dass Schopenhauer unbedingt Recht hat, wenn er behauptet, dass der Mensch von einem unbedingten Willen getrieben ist, sagen wir besser: fremdgesteuert. Die meisten unserer Handlungen erklären wir ganz plausibel und vernünftig, fast so wie wir einem Autofahrer den Weg erklären, aber die beiden Dinge sind nicht vergleichbar. Wie einfach doch eine Wegbeschreibung im Vergleich zum komplexen Labyrinth des Menschseins. Ich glaube, dass der große unbewusste Motor, unser Willen, von einem natürlichen Überlebenstrieb, aber auch von der Unbeantwortbarkeit der großen existenziellen Fragen angetrieben wird.  Auf die werde ich aber hier jetzt zu Eurer Schonung nicht näher eingehen. Bin ja auch nicht Schopenhauer. Ganz so negativ wie der Altmeister sehe ich die Welt auch nicht. Und, ganz wichtig: Ich werde mir auch niemals einen Pudel anschaffen! Die passen auch viel besser zu den Jakob Sisters.

Eigentlich wollte ich noch so vieles schreiben, merke aber wie sich das hier zu einem Monstrum von einem Text auswächst. Und es ist spät geworden. Draußen ist Märchenland. Schnee ist eine Sensation!

Noch ein Gedanke: Unser Glück hängt meines Erachtens viel zu sehr davon ab, wie andere Menschen uns behandeln und einschätzen. Wenngleich wir diese vielbesagten sozialen Wesen ohne Frage sind, so sollten wir darauf dennoch weniger reagieren, finde ich. Wenn wir halbwegs in uns ruhen, wenn wir wissen wer wir sind, was wir mögen und was nicht, werden uns andere nicht mit einer einzigen Bemerkung unglücklich machen können. Wir werden dann nicht mehr wie eine Lampe sein, die andere ein- und ausschalten können wie es ihnen gefällt.

So ich hoffe, dass Euch meine winterlichen Gedanken nicht zu düster waren.

Genießt die Zeit der kleinen Lichter. Und vergesst nicht: Alle Hoffnung kommt letztlich aus der Liebe.

Paulson

Hier noch zwei wunderbare Songs, präsentiert von drei tollen Musikern:

http://www.youtube.com/watch?v=rT-FoZt95D4

http://www.youtube.com/watch?v=hRg8rgiN088

This entry was posted on Sonntag, Dezember 26th, 2010 at 23:12 and is filed under 2010. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Both comments and pings are currently closed.