S´herbschdalad

…so herrlich schee und bald scho fellt d´r erschde schnee…


Zuerst aber noch diese geschenkten goldenen Tage! Frühstück auf dem Balkon, die klugen Krähen knacken Nüsse auf dem Ashalt und die Elstern wackeln von Baum zu Baum, einer schöner als der andere im herbstlichen Farbenkleid. Soooo scheeeee!

Meine Mutter stammte aus dem tiefsten Bayern, mein Vater war waschechter Schwabe, bin als Schwooob an der Grenze zu Bayern aufgewachsen, in einer kleinen Stadt am großen Donauried, am Rande der sanft ansteigenden östlichen Alb.  Bin dann in den prägenden Jahren von Dylan globalisiert worden, The Times They Are a-Changin´ und so…. Da war der bayerische Schwabe dem deutschen Liedgut endgültig verloren.  Heino und Konsorten wurden endgültig zum Feindbild. So kaas ganga!

Ist vielleicht auch besser, dass ich meine Songs auf Englisch anbiete, angesichts der biografischen Nähe zum eigenen Leben wäre mir meine bescheidene Kunst doch sonst ein wenig zu entblößend. Man gibt schon genug von sich preis auf einer Bühne. Ein wenig Verkleidung im Sprachlichen darf wohl sein. Es sind ohnehin mehr die Stimmungen, auf die ich abziele mit meiner Musik, die deutsche Sprache wäre mir da auch zu hart, das Schwäbische ein wenig zu schrullig, ehrlich gesagt. Durch meine Aufenthalte im englischsprachigen Ausland und durch besagte Mutter fühle ich mich auch nurmehr begrenzt schwäbisch. Eher ein wenig heimatlos – von meiner Sympathie für den VfB mal abgesehen – schon deutsch, aber eben auch verweltlicht, letztlich gar kosmisch, je älter ich werde…

Eindeutig deutsch bin ich im Normal-Sprachlichen. Ich mag diese meine Sprache sehr. Es gibt beispielsweise so unendlich viele wunderschöne deutsche Gedichte. Eines der bekanntesten ist sicherlich Die Lorelei von Heinrich Heine! Schaut Sie Euch noch einmal genau an, die berühmte Schöne. So schlicht, so genial! Wahrhaft eine gewaltige Melodei, vor allem, wenn man beim Lesen eben gerade nicht an das Gesungene denkt, nicht an die Seichtheit von Heino und Freddie Quinn, nicht an die groteske Tragik der klassischen Tenöre….also einfach nur lesen und schon läuft ein Film:


Die Lorelei

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe
Er schaut nur hinauf in die Höh´.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lorelei getan.


Ist das nicht wunderschön?!

Die Liebe schafft ja als eine der beiden Weltmächte viel Gutes auf diesem Planeten, doch hier ergeht es dem Verliebten auf dem Vater Rhein gar nicht gut. Die Schöne verzaubert ihn so ungeheuerlich, dass sie ihn letztlich gar verschlingt! Ja, nicht die Wellen sind es… sie, die Liebe, ist es, die ihn letztlich zerstört… diese Sehnsucht nach dem Ewig-Weiblichen (und am Ende doch immer die Suche nach der eigenen Mutter?) bringt ihn um´s Leben.

Bevor ich mich hier aber interpretatorisch versteuere und selbst auf ein Riff laufe, will ich Euch noch eine etwas andere Textart des Deutschen zumuten. Macht Euch bereit für ein ziemlich herbes Kontrastprogramm:

Wir arbeiten unter Hochdruck an der Weiterentwicklung der Assistenzsysteme, so dass sie zunehmend automatisiert fahren können. Mit der radargestützten Abstandshaltung ermöglichen wir die Längsführung heute schon. In Zukunft können Sie mithilfe verbesserter Daten aus der Navigationskarte in Verbindung mit einer Bilderkennung der Straße dem Fahrer mitteilen, welches die optimale Geschwindigkeit wäre. Wenn die Algorithmen entsprechend ausgelegt werden, können Sie die relevanten Fahrfunktionen auch auf Energieeffizienz trimmen. […]

Diese Poesie des Computerzeitalters wurde veröffentlicht in der vorletzten Ausgabe von DIE ZEIT unter dem Titel Wie wir morgen Auto fahren, der Abschnitt ist aus einem Interview mit Volkswagen-Forschungschef Jürgen Leohold. Eine der Kernbotschaften des Interviews ist: „Weil wir natürlich nicht langsamer oder gar weniger kraftvoll fahren wollen, in Zukunft, gilt es, mit innovativer Technik das absolute Optimum an Auto herauszuholen“. Passt gut zum allgemeinen Trend, das Letzte aus allem, auch aus den Menschen herauszuholen. Und weil wir das gar nicht mehr so romantisch finden und die Leistungs-Religion für die allermeisten auch nicht mehr ohne Weiteres auszuhalten ist, sind die Deutschen massenhaft auf der Flucht vor dem allzu Faktischen. Wobei ich mal wieder bei meinem Lieblingsthema wäre (verzeih mir, mein Freund, ich scheine das irgendwie zu brauchen, bin wirkliche eine notorische Spaßbremse …aber ich verspreche, dass ich mich darum kümmern werde, will herausfinden, um welche Art von Störung es sich da bei mir handelt, Ehrenwort!). Jedenfalls sind, laut DIE ZEIT, die Passagierzahlen bei Flügen von deutschen Flughäfen zwischen 1992 und 2012 von 25 auf 75 Millionen gestiegen. Und viele hoffen, dass sie sich in den nächsten zwanzig Jahren noch einmal verdreifachen werden, was sicherlich keine Frage ist. Dann geht es in dem Artikel noch um Menschen, die vom Fluglärm krank werden. Und wenn ich hier von meinem Balkon aus in den blauen Himmel schaue, dann flitzen ständig Sportflugzeuge und seit neuestem Motorsegler durch meine Swabian Skies. Deane kerad doch dr dibbl boarad, sagt man so im Schwäbischen?, ich glaube, das hab ich mal gehört, auf jeden Fall aber gibt es: Herr, schmeiß Hirn ra! Aber verlassen wir besser dieses unangenehme Thema jetzt ganz schnell wieder. Gehen wir lieber noch einmal gut zwanzig Jahre zurück, etwa ins Jahr 1990, kann auch schon 1988 gewesen sein. Betrachten wir also dieses:

pws end

Das Foto zeigt Euren blutjungen Songwriter im Konzert mit seinem alten Mitstreiter Wanner (Paulson & Wanner) und dem regelmäßigen special guest Norberto Schubert, Percussionist und schönster (schwäbischer) Indianer Mitteleuropas. Die Aufnahme entstand wahrscheinlich auf der Reutlinger Rappenbühne, wo wir regelmäßig gastierten. Ich spielte damals auch noch Congas und sogar Saxophon, der Wanner war mit Gitarre, Mandoline und Bluesharp unterwegs und natürlich Norbert mit allem was man schütteln und beklopfen konnte.

Und mit eben diesem Norbert Schubert werden Monja und ich ein Konzert in Glems spielen. Am 16. November. Spannende Sache.

Nicht unbedingt unsere Musikrichtung, eher kernig-rockige Materie, bietet meine heutige Video-Empfehlung. Die Aufnahme entstand 2008 auf eben jener Bühne im Glemser Hirsch, in dieser nunmehr fast schon legendären Kneipe des Walter Dieterle! Ich finde Miller Anderson, Werner Dannemann und Co hier einfach grandios!

http://www.youtube.com/watch?v=klOeG_Zkk4E

Seize the day!

Paulson


This entry was posted on Montag, Oktober 22nd, 2012 at 19:09 and is filed under 2012. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Both comments and pings are currently closed.